Paul Federn - Biografie
Paul Federn wurde am 13.10.1871 als Sohn von Salomon Federn und Ernestine Federn, geb. Spitzer, als dritter von drei Söhnen, zwei Schwestern und einem jüngeren Bruder in Wien geboren. Er stammte aus einer angesehenen jüdischen Bürgerfamilie. Der Großvater väterlicherseits war Rabbiner in Prag, der als Sekretär tätig war. Der Vater – Salomon – entfloh dem Prager Ghetto und der 1848er Revolution, an der er teilgenommen haben soll, nach Wien und studierte Medizin. Salomon Federn (1831-1920) war ein bedeutender und erfolgreicher praktischer Arzt in Wien, der bis zu seinem 88. Lebensjahr praktizierte und als Erster Blutdruckmessungen am Krankenbett durchführte. Die Mutter Ernestine – aus einer Wiener Kaufmannsfamilie – war schriftstellerisch tätig und engagierte sich in der sozialen Wohlfahrt. Auch eine der Schwestern Federns, Mariette, genannt Etta, geb.1883, was Schiftstellerin. Die Familie Federn zeichnete sich durch eine liberale Grundhaltung aus.
Federn besuchte das Akademische Gymnasium und maturierte dort 1889. Auf Wunsch seines als eher dominant beschriebenen Vaters studierte er an der Universität Wien Medizin und promovierte 1895. Im Allgemeinen Krankenhaus absolvierte er 7 Jahre lang – als Assistent von Herman Nothnagel - seine Ausbildung zum Facharzt für innere Medizin. Während dieser Zeit begann sein Interesse für die Psychoanalyse und er kam durch Nothnagel mit Sigmund Freud in Kontakt. Seine eigene Privatpraxis eröffnete er 1902 und betrieb diese bis 1918. Seine erste Publikation, „Zur Reform des ärztlichen Spitalldienstes“ erschien 1901.
Im Jahre 1903 wurde Paul Federn Mitglied der Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft (ab 1908 Wiener Psychoanalytische Vereinigung (WPV)) und war treuer Anhänger und Vertrauter Sigmund Freuds.
1905 heiratete er Wilma Bauer, die Tochter eines protestantischen Advokaten, das Paar bekam 3 Kinder: 1905 wurden Anni, 1910 Walter und 1914 Ernst geboren.
1908, nach der Gründung der WPV übernahm Paul Federn die Funktion des Rechnungsprüfers der Vereinigung.
Im Ersten Weltkrieg diente er als Militärarzt der k. u. k. Armee. Im Anschluss daran trat er der Sozialdemokratischen Arbeiter-Partei bei, der er bis zu deren Auflösung 1934 angehörte. Er war Bezirksrat in seinem Wohnbezirk (1010 Wien, Riemergasse 1), engagierte sich gemeinsam mit seiner Schwester Else im Verein Settlement, „seine praktischen Ziele gipfeln darin, daß es Kindern armer Arbeiter, die tagsüber sich selbst oder der Straße überlassen waren, Heim und Obdach, Erziehung, Zerstreuung, Beaufsichtigung und einen kleinen Imbiss bietet“. Dieses Projekt war von seinen Ideen geleitet, die u.a. in seiner Schrift „Zur Psychologie der Revolution: Die vaterlose Gesellschaft“ 1919 festgehalten und publiziert sind.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, war Paul Federn einer der führenden Lehranalytiker der WPV. Er war Vorsitzender des Lehrausschusses und von 1924-1938 stellvertretender Obmann der WPV. Er wurde von Freud – nach dessen Erkrankung – zu seinem persönlichen Nachfolger ernannt und stand immer loyal zu ihm.
Federn bemühte sich sehr um die „popularisierende Ausbreitung der psychoanalytischen Erkenntnisse“ und publizierte 1924 in diesem Kontext gemeinsam mir Heinrich Meng „Das Ärztliche Volksbuch“ sowie 1926 „Das Psychoanalytische Volksbuch“. Im selben Jahr wurde er Mitherausgeber der „Internationalen Zeitschrift für Psychoanalyse“ und 1931 der „Zeitschrift für Psychoanalytische Pädagogik“.
1938, nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Österreich, verließ Paul Federn Wien, flüchtete über Schweden und emigrierte in die USA, wo er schließlich in New York lebte und arbeitete. Sein jüngster Sohn, Ernst, wurde von der GESTAPO gefangen genommen und ins KZ Dachau gebracht.
In den folgenden Jahren im Exil fuhr Paul Federn fort, die theoretischen und therapeutischen Konzepte seiner Arbeit über Psychosen weiterzuentwickeln, er wurde 1946 Mitglied der New York Psychoanalytic Society und war dort u.a. als Lehranalytiker tätig.
Im November 1946 wurde ein Blasenkarzinom bei Federn entdeckt. Er wurde operiert und behandelt und im Glauben gelassen, es handle sich um einen gutartigen Tumor. Sein Sohn Ernst, mittlerweile aus dem KZ befreit, kam zu dieser Zeit auch nach New York.
Paul Federn erhielt 1949 eine Einladung zu einer Vortragsreise nach Topeka, die für ihn einen Höhepunkt seiner Karriere bedeutete. Als er von dieser Reise zurückkehrte, teilte man ihm mit, dass es sich um einen bösartigen Tumor handelte. Er entschloss sich erneut zu einer Operation, die, wie sich herausstellen sollte, nicht den gewünschten Erfolg brachte. Im Dezember 1949 verstarb seine Frau, deren Verlust er sehr schwer verwinden konnte. Er konnte in der Folge nur sehr wenig arbeiten, schließlich war für Mai 1950 eine neuerliche Operation geplant und er arrangierte unter dem Vorwand, dass er wohl lange nicht arbeiten werde können, für all seine Patienten neue Analytiker und erschoss sich am 4.5.1950 in seinem Arbeitszimmer.
Würdigung:
„Das wesentliche wissenschaftliche Verdienst Paul Federns liegt im Bereich der Ich-Psychologie und der Psychologie, bzw. Therapie der Psychosen. Mit seiner introspektiven und phänomenologischen Methode war es ihm möglich, die Bedeutung der neuen Konzepte der Ich-Psychologie für die Behandlung der Psychosen hervorzuheben. So konnte er beschreiben, dass Depersonalisationserlebnisse auf ungenügende Besetzung des Ich zurückzuführen sind und nicht auf eine ungenügende Objektbeziehung […]. Das Konzept der Ich– Grenzen, das Federn aufgestellt hat, ist von wesentlicher Bedeutung für das Verständnis von Phänomemen der psychotischen Psychopathologie, wie Halluzination und Wahn.“ (Leupold-Löwenthal 1986).
Irmgard Stöger, 2008
Redaktion: CD, 2010