psynema März-Juni 2011: Richtige Frauen. Richtige Männer (Folge 4)

Richtige Frauen. Richtige Männer. März – Juni 2011

Programm 
 

Unter dem Motto Richtige Frauen – Richtige  Männer lädt die Reihe
psynema – Licht in dunklen Räumen – zu Vorträgen mit Filmvorführungen
ein. Die Referentinnen und Referenten, die einen Film nach eigener Wahl
vorstellen, vertreten sowohl den Bereich der Psychoanalyse als auch
angrenzende Gebiete, insbesondere Film- und Kulturtheorien. Das Thema
ist auf die Sigmund Freud Vorlesung Geschlechter. Differenzen abgestimmt.

 

Donnerstag, 31. März 2011 um 20:15
Ulrike Kadi: 
Offside (IR 2006, 85 min) R: Jafar Panahi

Donnerstag 14. April 2011 um 20:15
Alexandra Seibel: 
Domaine, (/F/A 2009, 110 min) R: Patric Chiha

Donnerstag 12. Mai 2011 um 20:15
Christian Cargnelli: 
The Seventh Victim (USA 1943, 71 min) R: Mark Robson

Donnerstag 09. Juni 2011 um 20:15 
Wolfgang Till: 
A Single Man (USA 2009, 99 min), Regie: Tom Ford

Donnerstag, 31. März 2011 um 20:15: 
Ulrike Kadi
Offside (IR 2006, 85 min)
Frauen ist es im Iran verboten, einem Fußballmatch im Stadion zuzusehen.
Mehrere Mädchen versuchen unabhängig voneinander und verkleidet beim entscheidenden Weltmeisterschafts¬qualifikationsspiel zwischen dem Iran und Bahrein 2006 ins Stadion in Teheran zu gelangen. Paraden und Maskeraden bestimmen die ähnlich einem Dokumentarfilm angelegte Fiktion. Was bedeuten Mobiltelefone, und dürfen Frauen Männertoiletten benutzen? Die Verkleidung der Mädchen lenkt den Blick auf die Funktion des Schleiers, der auch in der Psychoanalyse von manchen in Verbindung zu etwas Weiblichem gebracht wird (Juranville 2004). Psychische, biologische und soziale Konstruktionen von Geschlecht kommen ebenso ins Spiel wie Überlegungen zur kulturellen Relativität von Geschlechterordnungen.
Offside ist der bislang letzte Film des iranischen Regisseurs Jafar Panahi, der im Dezember 2010 in Teheran wegen angeblich regimekritischer Tätigkeit zu sechs Jahren Gefängnis und zu einem 20-jährigen Berufsverbot verurteilt wurde.

Donnerstag 14. April 2011 um 20:15: 
Alexandra Seibel
Domaine (/F/A 2009, 110 min)
In seinem ersten Langspielfilm Domaine (2009) verhandelt der österreichisch-französische Regisseur Patric Chiha zwei dramatische Momente im Leben eines 17jährigen Jungen: sein „Coming of Age“ und sein „Coming Out“. Auf der Suche nach der eigenen (homosexuellen) Identität und dem Versuch, das „making of“ der Geschlechter zu erforschen, ist er besonders fasziniert von seiner Tante, einer dem Alkohol verfallenen Mathematikerin Anfang vierzig (Beatrice Dalle). Dabei spielt Béatrice Dalles theatrale Hyperfemininität  für ihn eine wichtige Rolle, weil es ihr eine „camp sensibility“ verleiht und dabei  auf die Artifizialität von Geschlechterrollen – gerade durch deren Überzeichnung und Überbetonung – aufmerksam macht. Chiha inszeniert sie modellhaft als exzentrische, aber fragile Diva, kehrt in nahen Einstellungen immer wieder zu ihrem Gesicht zurück und leuchtet es in seiner Schönheit und Zerbrechlichkeit aus. Problematisch an dieser Konstellation allerdings ist der Umstand, dass die Konsolidierung der  Geschlechteridentität des Jungen mit der zunehmenden Pathologisierung der Frau einhergeht.

Donnerstag 12. Mai 2011 um 20:15: 
Christian Cargnelli:
The Seventh Victim (USA 1943, 71 min)
Anfang und Mitte der 1940er Jahre schuf Val Lewton als Produzent für das Hollywoodstudio RKO eine Reihe von kleinen, poetischen, beunruhigenden, melancholisch-düsteren, ja geradezu todessehnsüchtigen Filmen im Zwischenreich von Traumphantasie, Horrorfilm und Film Noir: Cat People (1942), I Walked with a Zombie (1943) und The Leopard Man (1943), alle inszeniert von Jacques Tourneur, zählen hier ebenso dazu wie The Curse of the Cat People (1944, Robert Wise, Gunther von Fritsch) und The Seventh Victim. Dieses ist Kino höchster Intensität, das seine Kraft nicht billigen Effekten, Monstern oder Ungeheuern verdankt, sondern allen Schattierungen subtilen Terrors, Leerstellen und bedrohlicher Objektwelt, raffinierten Modulationen von Sound und Schwarzweißphotographie. Was in The Seventh Victim erzählt wird – die gefahrvolle Suche einer Internatsschülerin nach ihrer verschwundenen älteren Schwester -, tritt zurück hinter dem, wie es erzählt wird; narrative Logik weicht zunehmend der desorientierenden Energie, die von der alptraumhaften urbanen Atmosphäre ausgeht.

Donnerstag 09. Juni 2011 um 20:15: 
Wolfgang Till: 
A Single Man (USA 2009, 99 min)
Tom Fords äußerst ästhetischer Erstlingsfilm ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Christopher Isherwood – zum Teil sinn- und wortgetreu, zum Teil mit wesentlichen inhaltlichen Veränderungen. Die Handlung spielt in Los Angeles zu Beginn der 1960er Jahre und zeigt einen Tag im Leben des homosexuellen Literaturprofessors George Falconer. Dieser hat vor 8 Monaten Jim, seine große Liebe und seinen langjährigen Partner, durch einen Autounfall plötzlich verloren. Für George ist das Leben leer und sinnlos geworden und er plant seinen Suizid. An diesem Tag, der sein letzter gewesen sein wird und der durchzogen ist von intrusiv wirkenden Erinnerungsbildern an Jim, nimmt George Abschied von seinem Leben. Wir werden Zeugen u. a. seiner morgendlich depressiven Stimmung, davon wie er in seine Professorenrolle schlüpft, von seinen Gedanken und seiner Vorlesung über Angst, von seinen Begegnungen mit seiner Nachbarsfamilie sowie mit einem Stricher, von einem Abend mit seiner guten alten Freundin Charley und von einer nächtlichen Begegnung mit dem Studenten Ken. George lässt sich zum Weiterleben „verführen“ und stirbt trotzdem.
Das Hauptthema dieses Films ist die Auseinandersetzung mit Trennung, Verlust und Trauer. Da es aber um den Verlust eines schwulen Liebesobjekts geht, thematisiert der Film auch verschiedene Aspekte des Themas Homosexualität (gesellschaftliche Bewertung von Homosexualität, Identität als schwuler Mann) und auch Aspekte männlicher und weiblicher Geschlechtsrollenbilder und -identitäten. Wie diese Themen miteinander verknüpft sind, wirft interessante Fragen auf und es ist wert darüber nachzudenken.

 

Wiener psychoanalytische Akademie
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In den Räumen des Wiener Arbeitskreises für Psychoanalyse (S6):
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Unkostenbeitrag: 8 € bzw 5 € (KandidatInnen, Studierende)
ÖÄK: Diese Veranstaltung ist mit DFP Punkten approbiert

 

Redaktion CD, 14.6.2013