Hans Strotzka - Biografie: Sabine Zaufarek

Hans Strotzka wurde am 18. November 1917 in Wien als zweites Kind geboren. Der Vater Hugo Strotzka war ein mittlerer Beamter im Rechungsdienst der Generalpostdirektion in Wien und wurde von Hans Strotzka als „ruhiger, recht liberaler Mensch“ beschrieben. Die Mutter Maria, geborene Thenner war vor der Heirat Lehrerin und musste diesen Beruf aufgeben, da es zu der damaligen Zeit ein Zwangszölibat für Lehrerinnen gab. Seine Schwester Grete war um fünf Jahre älter. Seine ersten zehn Lebensjahre verbrachte Hans Strotzka mit seiner Familie in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Klosterneuburg, in der Feldgasse 7. Seine Bezugsperson war seine ältere Schwester.
In der Volksschule und im Humanistischen Gymnasium in Klosterneuburg war er einer der besten ohne sich besonders anstrengen zu müssen. Er war durch seine Kontakt- und Hilfsbereitschaft beliebt. Im 10. Lebensjahr übersiedelte er mit seiner Familie in ein Einfamilienhaus nach Kritzendorf in die Augustinergasse 23. Mit 13 Jahren fand er Dokumente, die bezeugten, dass der Pfarrer von Poosdorf, Kastenhofer sein Großvater war. Aufgrund dieser Enttäuschung entwickelte er einen „wütenden Antiklerikalismus“.

Als er fünfzehn Jahre alt war, stieß er zu den illegalen Nationalsozialisten. Am Beginn „begnügte“ sich die illegale Hitlerjugend mit dem Verprügeln von christlich-sozialen Mitschülern. Im Frühsommer 1934 erfolgte die 1. politische Aktion. Einige Schüler, unter anderem Strotzka, bejubelten Dollfuß nicht, sondern schauten nur schweigend in die Luft. Er wurde daraufhin von der Schule ausgeschlossen.
Er beendete deshalb die Schule im Humanistischen Gymnasium in der Maroltingergasse 69-71, wo auch sein neuer Klassenvorstand illegaler Nazi war.
Nach der Matura 1935, der er mit Auszeichnung bestand,  wurde Stotzka laut seiner unveröffentlichen Autobiographie altersmäßig automatisch zur SA überstellt.
Im selben Jahr begann er mit dem Medizinstudium, mit dem Schwerpunkt Psychiatrie. Grund dafür war, dass er Bücher über die Psychoanalyse gelesen hatte, die ihm faszinierten. Er sah auch keinen Gegensatz zwischen dem Nationalsozialismus mit seinem Antisemitismus und der Psychoanalyse.
1937 kam Strotzka für zwei Wochen wegen seiner Zugehörigkeit zur illegalen SA in Untersuchungshaft. Den Hitlereinmarsch am 13.4.1938 erlebte er als Befreiung und Sieg, allerdings entwickelten sich Bedenken über das brutale Vorgehen.

Strotzka promovierte am 8. März 1940 und bewarb sich an der Wiener Psychiatrischen Anstalt am Steinhof.
Am 1.9.1940 bekam er die Einberufung zur Infanterieausbildung bei den Hoch- und Deutschmeistern nach Strebersdorf. Am Ende des Jahres wurde das Regiment IR 134 nach Frankreich in die Charente Inferieure verlegt.
Kurz davor hatte er sich mit Veronika, einer Studentin für Englisch und Geschichte verlobt.
Anfang 1941 kam er vorübergehend zur Luftwaffe, die dringend einen Arzt für die Jagdfliegerschule Cognac benötigten. Von dort ging es durch Burgund und Polen an die russische Grenze. Am 11.7.1941 wurde er dort verwundet. Nach der Ausheilung der schweren Verwundung kam er ins Kurlazarett am Semmering.
Am 3. Feber 1942 heiratete er Veronika und im November kam sein Sohn Heinz auf die Welt.
Zu dieser Zeit arbeitete er zuerst im Speziallazarett für Nervenverletzungen am Psychiatrischen Krankenhaus Rosenhügel, einige Monate später  im Sonderlazarett für Hirnverletzte von Walter Birkmayer in der Pfeilgasse. Dort diskutierte er viele Stunden im Nachdienst mit Wilhelm Solms.
Daneben arbeitete er als Konsiliar für Militärpatienten an der 1. Chirurgischen Klinik von Professor Schönbauer. Nach einem weiteren kurzen Intermezzo in Russland wurde er als Truppenarzt nach Italien, als Facharzt der Neuropsychiatrischen Abteilung des Kriegslazarettes Arco versetzt.
Im Jänner 1944 wurde sein zweiter Sohn Fritz geboren, der sich mit 30 Jahren suizidierte.
1945 wurde er NS-Führungsoffizier (NSFO) und musste zu Hitlers Geburtstag eine Rede halten. Sein Text „Warum wir den Krieg verloren haben“ wurde vernichtet.

1945-1946: Kriegsgefangenschaft in Italien
Nach dem Waffenstillstand wurde das Kriegslazarett nach Meran verlegt. Er wurde Oberarzt eines Kriegsgefangenenlazarettes. Zu diesem Zeitpunkt hörte er zum 1. Mal etwas von Sozialpsychiatrie und dynamischer Psychotherapie. Danach wurde er nach Pisa in ein Offizierlager verlegt.

Seine Frau hatte nach Kriegsende eine Anstellung als Volksschullehrerin gefunden, musste sich aber pro forma scheiden lassen, um den Posten zu bekommen und die Wohnung zurückzuerhalten.
Als Strotzka schwer erkrankte, kam er zur Ausheilung in Entlassungslager. Dort organisierte er mit Wilhelm Schnabel einen Ausbildungskurs für junge Kollegen. Er kehrte im Herbst 1946 nach Wien zurück.

Ein Enkel von ihm hat Jahre später gemeint, dass die Schilderungen Strotzkas vom Krieg mehr an einen Campingausflug erinnern, als an seine Gräuel und Schrecken. Auch für einige andere Mitmenschen war sein Umgang mit diesem Thema „peinlich“.
Nadine Hauer zitierte in ihrer Hans Strotzka Biographie zwei Situationen, wie Stotzka mit den Erzählungen vom Krieg umgegangen ist:

Für Frau Dr. Brainin und einer älteren Freundin, die emigriert gewesen war, kam es anlässlich eines Heurigen zu einer für beide Frauen eher unangenehmen Begegnung: „Wir saßen allein an einem Tisch, plötzlich ist Strotzka zu uns gekommen, hat sich zu uns gesetzt und begann vom Krieg und seinen Auszeichnungen zu erzählen. Das war uns beiden sehr peinlich, aber er hat das überhaupt nicht bemerkt.“
 

Und Claudia Halletz erzählte Strotzka

„ganz begeistert, in welchen tollen Autos er da gefahren ist, wie ihm die Uniform gepasst hat, wie stolz er war, wie er auf einem Pferd gesessen ist, wie er in Militärcasino und ins Militärpuff gegangen ist und dass er genauso gut zu den Huren wie zu der Kellnerin sowie zu der Sozialarbeiterin war. Er wollte nur zeigen, was er für ein toller Bursch war.“
 

Solms verschaffte Strotzka nach der NS-Herrschaft eine Arbeitserlaubnis.
Am 9.12.1947 füllte er den Fragebogen für die Aufnahme zur Mitgliedschaft in der BSA (Bund Sozialistischer Akademiker) aus und arbeitete zunächst als unbezahlter Gastarzt an der Nervenheilanstalt Rosenhügel unter der Leitung von Erwin Stransky. Erst 1949 wurde er mit festem Gehalt als Sekundararzt angestellt.
Zu dieser Zeit bemühte sich die Gruppe um Igor Caruso um den Anfänger-Psychotherapeuten und er schloss sich 1947 dieser Gruppe an; trennte sich 1949 aufgrund von Meinungsverschiedenheiten wieder, nahm aber weiter an Seminaren teil und hielt Vorträge.

1948 begann er mit seiner Fachausbildung an der Psychiatrischen Klinik am Steinhof.
Hans Strotzka kümmerte sich nach dem Krieg um Holocaust-Überlebende und schrieb Gutachten für Wiedergutmachungs-Angelegenheiten.
Nadine Hauer schreibt in ihrer Biographie über Strotzka, dass die ausschlaggebende Entscheidung Psychoanalyse zu machen, war, dass er auf der Karriere-Leiter weiterkommen wollte.

1949  schrieb er in einem 11seitigen unpublizierten Manuskript, dass er grundsätzlich zwei Methoden der seelischen Behandlung unterscheide:

„Die Psychoanalyse versucht, den zugrunde liegenden Konflikt bewusst werden zu lassen und dadurch dem unbewusst entstandenen Symptom den Boden zu entziehen.
Die andere Methode, die mit der einfachen Überredung und Beruhigung beginnt und mit der Wachsuggestion und der Hypnose endet, versucht den zugrunde liegenden Konflikt zu verdecken und von Symptomen her zu behandeln“.
 

Er bevorzugte diese zweite Methode, schrieb er in seiner Unveröffentlichen Biographie, wobei er sie die so genannte „Kurzanalyse“ nannte [und vielleicht etwas anderes damit meinte. S.Z.].  Strotzka  schrieb allerdings:

„Die Nachteile der Psychoanalyse sind der große Aufwand an Zeit und Geld und dass viele Störungen zur Heilung eines nicht so großen Aufwandes bedürfen. Die zweite Technik ist billiger und kürzer und erreicht oft ausgezeichnete Resultate.“
 

Bis 1986 publizierte er insgesamt 65 Artikel zum Thema „Psychotherapie“.
Er war damals überzeugt, dass nur Mediziner Psychotherapeuten sein sollten, da nur Ärzte Diagnosen stellen könnten, insbesondere psychosomatische Erkrankungen und Medikamente verschreiben dürften.
Allerdings schätzte er trotzdem nicht-ärztliche Psychotherapeuten.

Im Jahre 1950 wurde er Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. [Damals war die Mitgliedschaft in der WPV nicht automatisch an den Abschluss der psychoanalytischen Ausbildung geknüpft. Red.]
Im selben Jahr bekam er für drei Monate ein Stipendium in Basel bei Professor Meng.
Von 1950-54 absolvierte er seine Lehranalyse bei Alfred von Winterstein, die er aber laut seinen Aussagen vorwiegend als Supervision nutze.
Seine 2. Lehranalyse setzte er bis 1958 bei Erich Heilbrunn fort.

1951 verschaffte ihm Hans Hoff eine Psychotherapie-Ambulanz  der Wiener Gebietskrankenkasse in der Strohgasse, deren Leitung er mit Unterbrechungen bis 1971 innehatte. Er führte halbtags die Ambulanz  für anfallskranke Kinder. Strotzka brachte schon damals erste Ansätze von Familientherapie ein und schenkte dem sozialen Umfeld große Bedeutung. Er praktizierte eine „selbst gebastelte Psychotherapie“. Zu seinen Kurzmethoden, wie er sie nannte zählten Autogenes Training, Suggestivmethoden, Narkoanalyse, das verstehende Gespräch, die Beratung, die Kurzanalyse und Gruppentherapie.
1956 übernahm Strotzka die Akutbetreuung der ungarischen Flüchtlinge.

Am 16.6.1956 war das Thema seines Probevortrages in der WPV der Humor. Er sah den Humor als Abwehrmechanismus.

Ab 15. Oktober 1959 ließ er sich für ein Jahr karenzieren, weil ihn der UN-Hochkommissar für das Flüchtlingswesen UNHCR in Genf die Stelle eines Mental Health Adviser anbot.
Ungefähr ab 1961 wohnte er im 19. Bezirk, in der Daringergasse 16, wo er auch seine Ordination hatte. 
Von 1.2.1964 bis 31.3.1965 war er Assistent am Institut für Höhere Studien.
Im Jahre 1966 erkrankte seine Frau an Schilddrüsenkrebs und im selben Jahr wurden ihm am 18. November der Titel „Medizinalrat“ verliehen.
1968 wurde er  mit nur einer Stimme Mehrheit Lehranalytiker der WPV.

Der Umgang mit dem Thema Nationalsozialismus gestaltete sich in der WPV sehr schwierig.
Ruth Wodak, die wegen seiner NS-Beteiligung nicht zu ihm in Lehranalyse wolle und deshalb zu Walter Albrecht ging, wurde nicht über Albechts  SS-Mitgliedschaft (WaffenSS) aufgeklärt.

Am 28.5.1969 bekam Strotzka den Titel „a.o. Professor“ vom Bundespräsidenten verliehen.
Den Lehrstuhl für Tiefenpsychologie und Psychotherapie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien erhielt er am 1.Oktober 1971.
Mit 30.9.1971 legte  Strotzka seine Tätigkeit als Leiter des Psychotherapie-Ambulatorium nieder.
Bis 1971 verfasste er fast 200 Publikationen.
1972 übernahm Strotzka die wissenschaftliche Leitung der Ehe- und Familienberatungsstellen der Gemeinde Wien.
Den Hermann-Simon-Preis für Sozialpsychiatrie erhielt er 1975.
Im Jahre 1976 wurde das Institut für Ehe- und Familientherapie gegründet und er übernahm auch dort die wissenschaftliche Leitung und er wurde Mitglied des Psychohygienischen Beirats.
Am 11.7.1978 erhielt er das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse, 1979 das goldene Ehrenzeichen für Verdienste des Landes Wien und 1982 den Wissenschaftspreis der Stadt Wien für Medizin.

1982 kam es zur Gründung des Dachverbandes psychotherapeutischer Vereinigungen Österreichs und er übernahm den Vorsitz. Strotzka  hatte sich sehr für das Psychotherapiegesetz eingesetzt, was ihm auch Kritik einbrachte.
1986 wurde bei ihm ein Prostatakarzinom festgestellt, das geheilt werden konnte.
1986 Emeritierung.
Danach hatte er laut seiner Unveröffentlichen Biographie Angst vor einem öffentlichen Skandal und „milderte seinen Austritt aus der WPV in eine (altersbedingt) ruhende Mitgliedschaft, um einen Skandal zu vermeiden.“
Nach dem Tod seiner Frau 1990 gab er auch seine Ordination auf.

1991 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Wien ernannt.
Im Herbst 1993 musste er ins Seniorenheim Kaasgraben in Döbling, seine Enkelin Veronika kümmerte sich um ihn. Er wählte dieses Heim, weil er dort rauchen durfte.
Am 17. März 1994 wurde im AKH bei den Hörsälen am Südgarten eine Strotzka-Büste enthüllt.

Am 16. Juni erlitt Hans Strotzka im SEniorenheim einem Myocardinfakt, möglicherweise verursachte er einen Brand, indem ihm die Zigarette entglitt und einen Medikamentenwagen anzündete. Er verstarb, während die anderen Heimbewohner gerettet werden konnten.
Hans Strotzka wurde am Hietzinger Friedhof beigesetzt.

Literaturhinweise finden Sie in nebenstehender Datei.

Sabine Zaufarek, 2008
Reaktion CD, 2008