Otto Fenichel - Chronologie

1897 Otto Fenichel wird am 2. Dezember in Wien geboren.
1907 tritt in das Akademische Gymnasium am Beethovenplatz ein.
1915 Beginn des Medizinstudiums in Wien.
Er engagiert sich in der Wiener Jugendbewegung um Siegfried Bernfeld.
1917 Gründung einer Bibliothek für Jugendbewegungsliteratur. Schon früh gelangt Fenichel in das nähere Umfeld von Sigmund Freud und besucht dessen Vorlesungen.
1919 initiiert er das „Wiener Seminar für Sexuologie“, an dem sich auch Wilhelm Reich beteiligt, Beginn der Freundschaft zweier Linksfreudianer. Fenichels Beschäftigung mit dem Thema Sexualität steht ganz im Zeichen der Wiener Jugendbewegung.
1920, im Alter von 23 Jahren, Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung.
Fenichel gehört – wie Wilhelm Reich – zu den jüngsten Mitgliedern, die jemals in der WPV Aufnahme gefunden haben. Seine Aufnahme in den Verein erfolgt am 16. Juni 1920, nachdem er „Über Sexualfragen in der Jugendbewegung“ referiert hat, der unveröffentlichte Text folgt dem Aufbau der „Drei Abhandlungen“.
Fenichel verbringt das Studienjahr 1919/20 in Berlin. Er vertieft dort seine Kenntnisse im Fach Sexualwissenschaft und besucht Vorträge der renommierten Sexualwissenschaftler Iwan Bloch, Max Marcuse und Albert Moll.
1921 promoviert Fenichel an der Universität Wien.
1922 Übersiedlung nach Berlin, wo er bis 1933 lebt.
Psychoanalytische Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut.
In Berlin erhält Fenichel seine fachärztliche Ausbildung in Neurologie und Psychiatrie bei Bonhoeffer und Cassirer an der Charité.
1924 Gründung des sogenannten „Kinderseminars“ am Berliner Psychoanalytischen Institut - ein Zusammenschluss jüngerer Analytiker und Ausbildungskandidaten, der der informellen Diskussion dient.

„Obwohl mit Karen Horney erstmals eine Frau in den Ausbildungsausschuss berufen worden war, herrschte im Berliner Institut eine patriarchalisch-hierarchische Struktur, weshalb sich einige jüngere AusbildungskandidatInnen 1924 zu einem inoffiziellen Diskussionszirkel zusammenschlossen, der von Otto Fenichel und Harald Schultz-Hencke geleitet und „Kinderseminar“ genannt wurde. Innerhalb dieser heterogenen Gruppe bildete sich 1932 eine Fraktion marxistischer PsychoanalytikerInnen, die u. a. aus Otto Fenichel, Wilhelm und Annie Reich, Edith Glück-Gyömröi, Barbara Lantos und Edith Jacobssohn bestand. Von 1934 bis 1945 blieben die Mitglieder und Sympathisanten dieser Gruppe trotz Emigration durch die von Fenichel verschickten „Rundbriefe“ miteinander in Kontakt.“ (http://www.psychoanalytikerinnen.de/index.html?deutschland_geschichte.html, 2.7.2010)

1926 heiratet Fenichel die Kindergärtnerin Klara Nathanson, 1931 kommt die Tochter Hannah zur Welt.
Freuds Sexualtheorie bildete für ihn einen Grundbaustein seiner Auffassung von Pychoanalyse. Fenichel bereitete Freuds „Abhandlungen“ mit 175 Fragen didaktisch auf. Das „Freud-Seminar: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“, war ab 1929/30 obligatorisches Seminar im Studienplan am Berliner Psychoanalytischen Institut.
Fenichel sympathisierte mit den Ansichten der Kommunistischen Partei und beschäftigte sich in seinen Vorträgen mit dem Verhältnis von Psychoanalyse und Sozialismus/Marxismus. In seine Berliner Zeit fällt auch die Gründung einer informellen Gruppe marxistisch orientierter Psychoanalytiker; er rezensiert Wilhelm Reichs Publikationen zur Sexualökonomie. Differenzen zwischen Fenichel und W. Reich führen 1933 zur beiderseitigen Distanzierung.

Stationen der Emigration:

1933 Emigration nach Oslo.
Ab 1934 organisiert Fenichel mit Hilfe von streng geheimen Rundbriefen den Kontakt zwischen den durch die Vertreibung in alle Welt zerstreuten Psychoanalytikern Berlins. Diese 119 Rundbriefe, die in einem Zeitraum von elfeinhalb Jahren verfasst wurden und erst seit 1998 publiziert sind, zählen zu den wichtigsten Dokumenten zur Geschichte der Psychoanalyse zwischen 1934 und 1945.
1935 Emigration nach Prag, wo er seine zweite Frau, die Heilpädaogin Hanna Heilborn, heiratet. Er übernimmt nach Francis Deri die Leitung der Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft in Prag und setzt auch die von ihr begonnene Übersetzung von Freuds Werken ins Tschechische fort. Fenichel wird wieder Mitglied der WPV, da die Prager Gruppe an die WPV angegliedert ist.

„Nachdem Hitler 1933 in Deutschland die Macht übernommen hatte, wurde Prag mit seiner relativ großen deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe ein wichtiger Zufluchtsort für viele Emigranten aus Deutschland. In der Tschechoslowakei gab es unter Beneš, der 1935 Masaryk ablöste, keine Einschränkungen für Psychoanalytiker in der Ausübung ihres Berufs. Zu den PsychoanalytikerInnen, die 1933 aus Berlin nach Prag kamen und sich am Aufbau der Prager Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft beteiligten, gehörten Franziska (Frances) Deri mit ihren beiden Analysandinnen Elisabeth Gerö-Heymann und Annie Reich, Steff Bornstein, Edit Gyömröi, Hanna Heilborn, Heinrich und Yela Löwenfeld. Später kamen Michalina Endelmann, Otto Fenichel (1935 als Emissär der WPV), Christine Olden und Edith Jacobssohn hinzu.
Im Herbst 1933 begann die Prager Psychoanalytische Arbeitsgemeinschaft (Psychoanalyticka Skupina v CSR) mit ihrer Ausbildungstätigkeit, Vorsitzende war bis 1935 Franziska Deri. 1934 wurde die Prager Arbeitsgemeinschaft der WPV angegliedert und 1936 auf dem Marienbader Psychoanalytischen Kongress als Gesellschaft für das Studium der Psychoanalyse von der IPV anerkannt. 1935 übernahm der Wiener Freudomarxist Otto Fenichel die Leitung der Prager Arbeitsgemeinschaft und gründete zusätzlich eine Marxistisch-Analytische Arbeitsgemeinschaft.“ (http://www.psychoanalytikerinnen.de/index.html?cssr_biografien.html, 3.7.2010)

1938 Emigration nach Los Angeles. Praktiziert während des 2. Weltkriegs am Cedars Lebanon Hospital in L.A., Lehranalytiker, Mitherausgeber des „Psychoanalytic Quarterly“.
1945 erscheint sein theoretisches Hauptwerk, die „Psychoanalytische Neurosenlehre“.
1946 Otto Fenichel stirbt am 22.1. in Los Angeles.

Würdigungen:

Fenichel verfügte über ein fotografisches Gedächnis und akribische Detailgenauigkeit und mit großem Arbeitsauwand protokollierte er alles, was zu seinem Ruf als „Enzyklopädist der Psychoanalyse“ führte. (Greenson, 1966)

„Fenichel war ein peinlich genauer Registrator. Wüßte man nichts über seine Veröffentlichungen oder von den Rundbriefen, so könnte man schwerlich glauben, daß er irgend etwas tat, als Listen zu führen. Er ging darin auf.“ (Jacoby, 1985, 52f; zitiert nach Mühlleitner, 1992, 94)

Mühlleitner, Elke (2008): Ich - Fenichel. Das Leben eines Psychoanalytikers im 20. Jahrhundert. Wien: Zsolnay.
„Der aus einer assimilierten jüdischen Familie stammende Psychoanalytiker Otto Fenichel war ein Wanderer auf der Suche nach sich selbst und der Funktionsweise der menschlichen Seele. An seiner Biographie, die ihn von Wien über Berlin, Oslo und Prag bis nach Los Angeles führte, wird exemplarisch das Schicksal seiner Generation deutlich. Otto Fenichel (1897 bis 1946) war ein lebensfroher Melancholiker, ein Frauenfreund und ein grandioser Vermittler und Pädagoge. Mit Wilhelm Reich, seinem Freund und späteren Gegner, war er Exponent einer politisch engagierten Variante der Psychoanalyse.“

Otto Fenichel: »119 Rundbriefe (1934-1945)«, Band I: Europa (1934-1938), Band II: Amerika (1938-1945). Elke Mühlleitner, Johannes Reichmayr (Hg.). (1998). Frankfurt/M, Basel: Stroemfeld/Roter Stern.
„Fenichel arbeitete in Los Angeles als Lehranalytiker und Mitherausgeber des Psychoanalytic Quarterly und während des zweiten Weltkrieges praktizierte er am Cedars Lebanon Hospital. 1945 erschien Fenichels Hauptwerk, die „Psychoanalytische Neurosenlehre“, ein Werk, mit dem er seinen Ruf als „Enzyklopädist der Psychoanalyse“ bestätigen konnte. Wenige Wochen später starb Otto Fenichel am 22. Januar 1946 in Los Angeles.“

Text: Dorothea Nosiska, 2008, 2010.
Redaktion: CD, 2010