Tea Genner-Erdheim: Chronologie
Tea Genner-Erdheim wurde am 24.Feber 1906 in Wien geboren. Der Vater Osias Erdheim (nannte sich später Oskar) war ein Jude aus Galizien, der nach zwei Klassen Mittelschule Kaufmann wurde und mit allen möglichen handelte. Er hatte vier Brüder, wobei Jakob Erdheim jener pathologische Anatom war, der das Karzinom Sigmund Freuds histologisch diagnostizierte. Die Mutter Sophie war eine „Goijte“ (Nichtjüdin), aus der Kirche ausgetreten, wollte aber, dass Tea protestantisch getauft wurde. Als aber die Nazis von ihr einen Ariernachweis verlangten, stellte sich heraus, dass sie Mischling 2. Grades, also Vierteljüdin war.
Oskar wollte einen kurzen Namen für sein Kind und deshalb wurde Tea ohne „h“ geschrieben. Tea absolvierte die 1. Klasse eines Lyzeums und besuchte ab der 2. Klasse ein Mädchenrealgymnasium. Sie bestand 1925 die Matura.
1932 promovierte sie an der medizinischen Fakultät der Universität Wien. Danach war sie bis 1933 Ärztin an der Neurologisch-Psychiatrischen Klinik der Universität Wien und anschließend arbeitete Erdheim als Sekundarärztin am Maria Theresien-Schlössel. Ihren Rundgang zur Aufnahme in die WPV machte sie bei Helene Deutsch und Eduard Hitschmann. Sie begann 1934 mit ihrer psychoanalytischen Ausbildung in der WPV, wobei sie bis 1936 ihre Lehranalyse bei Eduard Hitschmann und anschließend bis 1938 bei Jeanne Lampl de Groot absolvierte.
Sie lernte im Feber 1934 nach dem Arbeiteraufstand Laurenz Genner kennen, der mit einer Schädelverletzung in der Nervenklinik Maria-Theresien-Schlössel lag. Er wurde 1894 in Irnfritz im Waldviertel geboren, musste nach der 6. Klasse Mittelschule wegen TBC in eine Lungenheilstätte. Danach begegnete er in Wien Viktor Adler. Er lebte von Nachhilfestunde in Latein und Griechisch, arbeitete als Vertreter und war immer wieder arbeitslos. Um 1930 wurde er Nationalrat der Sozialdemokratischen Partei.
Laurenz Genner wurde im August 1938 verhaftet und war 1 1/2 Jahre inhaftiert. Er hatte während des ganzen Krieges im Widerstand gearbeitet. Tea lebte mit ihm und war auf ihn als „Arisier“ des Hauses, das Oskar Erdheim 1908 gekauft hatte, angewiesen, weil sie sonst keine Wohnmöglichkeit gehabt hätte. Als „Halbjüdin“ konnte sie ihn nicht heiraten, genauso wie sie auch die Facharztprüfung nicht ablegen durfte.
Von 1938 bis 1941 arbeitete sie in ihrer Privatpraxis, bis sie zum Kriegsdienst verpflichtet wurde und als praktische Ärztin zur Übernahme einer Allgemeinpraxis gezwungen wurde.
Der Vater kam 1942, nach dem Tod seiner Frau ins Wiener Ghetto im 2. Bezirk und starb 1945 bald nach seiner Rückkehr von dort. Tea Erdheim emigrierte nicht, weil sie für ihren alten Vater, der im Ghetto war, ein Schutz war. 1944 wurde das Haus von der Gestapo umstellt. Laurenz Genner, der viele Tabletten Schlafmittel genommen haben soll, wurde bewusstlos und die Gestapo ließ ihn wieder frei. Ende 1944 flüchtete sie mit Laurenz Genner aus Wien aufs Land.
Nach dem Ende des Nationalsozialismus kehrten sie nach Wien zurück und Tea Erdheim arbeitete als Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie an der Psychiatrischen Universitätsklinik bis 1948.
Sie trat in die Kommunistische Partei ein und blieb bis 1956 Mitglied, bis zum Einmarsch der Russen in Ungarn.
Sie war maßgeblich am Aufbau der WPV nach dem 2. Weltkrieg beteiligt. Bereits im Oktober 1945, einen Monat nachdem August Aichhorn und Alfred Winterstein einen Antrag auf Widergenehmigung der WPV einbrachten, brachte sie zusammen mit Lambert Bolterauer und Kurt Fellner einen zweiten Antrag ein. Sie war zusammen mit Otto Fleischmann für die Einrichtung des psychoanalytischen Ambulatoriums in Wien zuständig.
Claudia wurde am 6. Oktober 1945, vier Jahre nach ihrer älteren Schwester Maria geboren. Sie absolvierte das Philosophiestudium an der Universität Wien, München und Kiel und erhielt 1985 die Promotion. Seit 1984 ist die Universitätslektorin für Logik am Institut für Philosophie in Wien und freie Schriftstellerin. Claudia Erdheim schrieb in ihrem Buch „Bist du wahnsinnig geworden“, dass ihre Mutter sie alleine aufzog und sie sich deshalb oft alleine überlassen waren. Außerdem war ihre Kindheit geprägt von früheren Erfahrungen und Ängsten der Mutter.
Bei einer persönlichen Begegnung erzählte sie, dass ihre Mutter ihr nie über ihren Vater erzählt hatte und dass ihre Mutter auch wichtige Erlebnisse vom Krieg ausließ und sie diese erst nach dem Tod der Mutter von anderen erfahren hat.
1946 wurde Tea Genner-Erdheim Mitglied der WPV.
Ein Jahr darauf trennte sie sich von ihrem Mann.
Nach dem Tod von August Aichhorn war sie im provisorischen Lehrausschuss des Wiener Lehrinstitutes. Ab dem Wintersemester 1949/50 war Genner-Erdheim Lehrbeauftragte der WPV, hielt Einführungskurse über die „Neurosenlehre“. Sie wurde als beliebteste und angesehenste Lehranalytikerin beschrieben. Außerdem war sie eine äußerst abstinente, um Neutralität bemühte Psychoanalytikerin. Sie trat kaum in der Öffentlichkeit in Erscheinung und es gab auch kaum „Tratschgeschichten“ über sie. Sie war unter anderem die Lehranalytikerin von Frau Dr.Erika Danneberg und Frau Dr. Vera Ligeti.
Im Jahre 1950 erfolgte die Scheidung.
1962 hielt sie einen Vortrag mit einer unkonventionellen Interpretation des Brecht Songs „Der Surabaya Johnny“, den sie als Metapher der frühen Objektbeziehungen deutete.
Tea Genner-Erdheim starb am 23. März 1977 in Wien nach einem Monat Krankheit. Sie analysierte bis zum Schluss und hinterließ etwa 14 Kandidatinnen, die noch bei ihr in Analyse waren.
Quellen:
Claudia Erdheim (1984): Bist du wahnsinnig geworden? Wien: Löcker
Die Lebensdaten bis 1945 wurden entnommen aus:
Claudia Erdheim (2006): Längst nicht mehr koscher: Die Geschichte einer Familie. Wien: Czerin
Wir danke Frau Claudia Erdheim für Korrekturen und das Bild von Tea Erdheim um 1930.
Sabine Zaufarek, 2008
Redaktion CD, 2008, überarbeitet 20. 1. 2015