Adolphe Ferrière - Chronologie

Geboren am 30. August1879 als Sohn einer philanthropischen, protestantischen Großbürgerfamilie in Genf.
Sein Vater Auguste Frédéric Ferrière (1848-1924) war einflussreicher Arzt, seine Mutter Adolphine Faber (1853-1932) stammte aus Wien.
In seiner Jugend verlor er langsam sein Gehör und wurde im Alter von 20 Jahren taub.
Zoologiestudium in Genf, Volontär im Landerziehungsheim Hermann Lietz (Haubinda, Thüringen),
1899 Gründung des Bureau international des Ecoles nouvelles, einer Dokumentationsstelle für Schulreformer.
1902 Promotion in Soziologie.
Schon früh galt sein Interesse den Reformschulen (Abbotsholme, Bedales, School of Rock), den Vorläufern der aktiven Methoden des Lehrens.
1902 Mithilfe bei der Gründung des Landerziehungsheims Glarisegg, musste aber wegen seiner Taubheit das Unterrichten aufgeben. 1909 PD in Genf.
1912-1922 Professor am Institut Jean-Jacques Rousseau
1908 lernte er Isabelle Bugnon (1885-1969), Dozent für Naturwissenschaften und Nichte von Auguste Forel  kennen, 1908 heiratete das Paar und 2926 kam Sohn, Claude Ferrière zur Welt.
Seine Frau diente ihm wegen seiner Taubheit häufig als Dolmetscherin.

Ferriere kam in Kontakt mit der Psychoanalyse.
November/Dezember 1911 soll er sich einer kurzen Pychoanalyse bei Dr. de Montet unterzogen haben (siehe www.ibe.unesco.org/publications/ThinkersPdf/ferriere.pdf)
Er ist in den Protokollen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung von 1912-1918 am 19.11.1918 ein einziges Mal - und zwar als Mitglied und nicht als Gast - aufgelistet. (Nunberg, Federn, 1981, IV, 315)
Ferriere hatte der Psychoanalyse gegenüber große Vorbehalte, warf ihr Pansexualismus vor.
1926 beschäftigt er sich in einem Artikel mit psycholgischen Typen, wie sie sich in Träumen zeigen, und schreibt „von unserer Arbeit als Psychoanalytiker“aber er zitierte auch Marie Guyau - Psychoanalyse töte Gefühle. Nach Ferriere könne Psychoanalyse „gute“ Gefühle destabilisieren und solle nur gegen „böse“ Gefühle angewendet werden.

1913-1920 Lehrer am Landerziehungsheim Les Pléiades bei Blonay, 1918 schrieb er  30 Punkte für eine neue Schule nieder.
1920-21 Leiter seiner Privatschule in Bex.
1921 Mitbegründer des Weltbundes zur Erneuerung der Erziehung und Redakteur von dessen Publikationsorgan „Pour l’ère nouvelle“.
1922 publizierte er: Ecole active. (dt.: Tatschule, 1928).

Seine Vorstellung von Landerziehungsheimen war die eines Internats am Lande mit Familiencharakter, die persönliche Erfahrung der Schüler ist Grundlage für das Lernen, die Handarbeit spielt dabei eine große Rolle (Arbeitsschule) und soll die sittliche Erziehung und die Selbstregulierung der Schüler fördern. Er engagierte sich für Schülermitverantwortung und reformpädagogische Unterrichtsmethoden.
Ferriere setzte sich auch mit Fragen der religiösen Psychologie auseinander, aus einer protestantischen Familie stammend (sein Großvater war Pastor) stand er den Quäkern nahe und interessierte sich für Astrologie.

Adolphe Ferrière verstarb am 16.6.1960 in Genf.

Aus den Protokollen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung:

„Bemerkungen über die seit 1912 hinzugekommenen Mitglieder (…)
FERRIÈRE. Über ihn konnten wir nichts gesichertes ausfindig machen. Vielleicht handelt es sich um Ad. Ferrière, den Autor des Buches Der Primat des Geistes als Grundlage einer aufbauenden Erziehung (J. Beltz, Langensalza 1932). “ (Nunberg, Feder, 1981, IV, XX)

„Sitzung der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung am 19. November, 3h Nm.
Anwesend: Prof. Freud, Dr. Rank, Dr. Friedjung, Dr. (K.) Weiß, Dr. Steiner, Dr. Sadger, Dr. Tausk, Doz. Dr. Pötzl, Frau Dr. Hug-Hellmuth, Frau Dr. Sokolnicka, Dr. Freund (Budapest), Dr. Hitschmann, Dr. Ferrière (Genf), Frau Dr. (Helene) Deutsch, Dr. Rank, Dr. Fogschaner.
Als Gäste: Dr. Bernfeld, Frau Dr. Bernfeld, Frau Dozent Pötzl, Dr. Karl Frank, Herr med. Fenichel, Fräulein Anna Freud.
(Geschäftliches) Prof. Freud begrüßt die Gäste, Dr. Rank kündigt die ÜBersiedelung der Bibliothek an, Dr. Reik berichtet über Einlauf der Bibliothek.
(Programm) Dr. Bernfeld hält einen Vortrag. Die Dichtung der Jugendlichen.“
(Nunberg, Federn, 1981, IV,  315-316)
Es folgt eine Zusammenfassung des Vortrages und die Diskussion. Dr. Ferrière wird im Text nicht mehr erwähnt.
Dieses Protokoll ist das letzte der von Nunberg und Federn herausgegebenen. Über die weitere Tätigkeit der WPV finden sich Berichte im Korrespondenzblatt.

Bei Mühlleitner (1992) findet Ferriére keine Erwähnung.

Text und Redaktion: Christine Diercks, 20.5.2010