René Laforgue - Chronologie
René Laforgue wurde am 5. November 1894 in Thann am Oberrhein, Elsass, das damals zu Deutschland gehörte, geboren.
Sein Vater wurde als uneheliches Kind geboren und war in einer Textilfabrik tätig. Seine Mutter wurde ebenfalls als uneheliches Kind geboren, weil ihr Eltern verschiedene Glaubensbekenntnisse hatten (katholisch, protestantisch) und sie deshalb nicht heiraten durften. Sie litt an Depressionen. Nachdem sich seine Mutter nicht zwischen den Religionen entscheiden konnte, ging er sowohl zum katholischen, als auch zum protestantischen Gottesdienst und lernte zusätzlich hebräische Gebete.
Laforgue wurde sehr streng erzogen und kam in ein Internat, aus dem er weglief. Er fand daraufhin Zuflucht bei dem Physiologen Franz Oppenheimer und wandte sich durch ihn der Medizin zu. Er studierte in Berlin, Paris und Straßburg.
Sigmund Freud entdeckte er 1913, als er die Traumdeutung las.
Im ersten Weltkrieg wurde er auf der Seite der Deutschen als Arzt zum Militärdienst einberufen. Nach dem Krieg arbeitete er als Assistenzarzt in der Psychiatrie von Hoerdt (Elsass, das nunmehr zu Frankreich gehörte) und entdeckte dort sein Interesse an der Schizophrenie.
1922 schrieb Laforgue seine Doktorarbeit über „L’ Affectivité des schizophrènes du point de vue psychanaltique“ (Die Affektivität der Schizophrenen aus psychoanalytischer Sicht). Im diesem Jahr heiratete er auch Paulette Erikson, die Tochter eines Apothekers in Colmar, die ebenfalls Psychoanalytikerin wurde.
1923 ging er nach Paris, wo Professor Claude ihm eine Assistentenstelle und eine psychoanalytische Ambulanz an der psychiatrischen Klinik Saint-Anne gab. Danach arbeitete Laforgue an der Nervenklinik in Tübingen.
Im Oktober 1923 kam es zu einem Briefwechsel mit Sigmund Freud. Außerdem begann er seine Lehranalyse bei Eugenie Sokolnicka, einer polnischen Analytikerin, Mitglied der WPV, die in Paris Analysen durchführte und die er bei einer ihrer Vorlesungen an der École des Hautes étude Sociales kennengelernt hatte.
Von 1923 bis 1937 führte er mit Sigmund Freud einen Briefwechsel.
Im Oktober 1925 wurde er ordentliches Mitglied der WPV mit Adresse in Paris.
Marie Bonaparte begann auf Empfehlung von ihm eine Analyse bei Sigmund Freud.
Im November 1926 kam es zur Gründung der Société Psychanalytique de Paris und Laforgue wurde deren erster Präsident und blieb dies bis 1930.
Er war Lehranalytiker, folgte aber keinen Regeln und wurde deshalb immer isolierter.
1938 erfolgte die Scheidung von seiner 1. Frau und er heiratete seine ehemalige Patientin Delia Clauzel, eine Diplomatentochter.
1942 Geburt der Tochter, die mit einer Behinderung zur Welt kam und vier Jahre später starb.
In dem von Paul Federn 1939 erschienen Buch „Das psychoanalytische Volksbuch“ schrieb er einen Artikel über die Homosexualität.
Er beschrieb die Homosexualität als eine Triebrichtung, für die eine besondere Anlage und Disposition bestehe und unterschied zwischen latenter oder verborgener (entspricht einer rein psychischen Einstellung) und manifester, offenbarer Homosexualität. Er beschrieb eine eine aktive oder passive Homosexualität, je nach dem, welche Liebesrolle eingenommen werde, Homosexualität, bei denen die Befriedigung am Liebesobjekt dem eignen Strafbedürfnis entspringe. Latente Homosexualität könne vom Strafbedürfnis geweckt werden, so dass die homosexuelle Einstellung ein Gequält werden, Erniedrigung oder Strafe für den Menschen bedinge.
Homosexualität entspreche einer Infantilität des Geschlechtstriebes, der durch einen Konflikt oder sonstiges Hindernisse gehemmt wurde.
Die normale sexuelle Entwicklung führe zu einer positiven Libidobeziehung mit dem gegengeschlechtlichen Elternteil, was zu einem Konflikt mit dem gleichgeschlechtlichen und zu Schuldgefühlen führe. Dieses Schuldgefühl gehe beim Knaben mit einer Fixierung an den Vater einher, die mit Kastrationsangst verbunden sei, beim Mädchen mit einer Fixierung an die Mutter, verbunden mit der Angst, von der Mutter vernichtet zu werden.
Bei stärkerer gleichgeschlechtlichen Anlage werde der Knabe aus Kastrationsangst dem Mädchen gleich, um die Liebe des Vaters zu gewinnen, das Mädchen werde dem Knaben gleich. Diese Anpassung gehe mit großem Lustgewinn einher. Meist führe die Identifizierung mit der Frau den Mann zur passiven Rolle in der Homosexualität. Die veränderte Libidoentwicklung sei aber nicht immer durch Angst bedingt, sondern könne auch aufgrund einer ungewöhnlich neurotischen Feindseligkeit des gegengeschlechtlichen Elternteils entstehen. Solche Kinder müssten ihre Libido auf den gleichgeschlechtlichen Elternteil übertragen.
Während des zweiten Weltkrieges wurde Laforgue Kollaboration mit den Nationalsozialisten vorgeworfen. Er blieb in Paris und nahm Kontakt mit Matthias Heinrich Göring auf, schlug ihm vor, die Herausgabe der Revue franicaise de psychoanalyse unter deutscher Aufsicht wieder aufzunehmen und in Paris ein „arisiertes“ Institut nach dem Berliner Modell zu gründen. Göring misstraute ihm, da dieser sich nie antisemitische geäußert hatte und sogar Mitglied der LICA (Ligue internationale contre l’ antisémitisme) war. 1943 trafen sich Laforgue und Görung und er hielt einen Vortrag über Psychotherapie in der Maison de la Chimie. Danach brach der Austausch zwischen den Kontrahenten ab. Laforgue änderte seine Haltung völlig. Er zog sich auf seinen südfranzösischen Besitz zurück und begann Juden und Zwangsarbeitsverweigerer zu verstecken, half Oliver Freud und dessen Frau bei der Ausreise und analysierte deren Tochter Eva, die Frankreich nicht verlassen wollte.
Nach der Befreiung wurde er wegen des Verdachs auf Kollaboration von John Leuba vor Gericht gestellt, aber es gab nicht genügend Beweise und er wurde freigesprochen.
1953, nach der Spaltung der Société Psychoanalytique de Paris trat er zurück und wurde Mitglied der neugegründeten Société Francaise de Psychoanalyse.
Seinen letzten Vortrag hielt er 1961 auf den Lindauer Psychotherapiewochen über seine Erinnerungen an Sigmund Freud.
Auf dem 22. Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Edingburgh wurde er nicht mehr als Lehranalytiker akzeptiert.
Danach arbeitete er in Casablanca als Neurologe, studierte dort die Mentalität der einheimischen Bevölkerung und das Problem der religiösen Erlösung.
René Laforgue starb am 6. März 1962 in Paris an den Folgen eines chirurgischen Eingriffes.
Text: Sabine Zaufarek, 7.2.2011
Redaktion: CD, 2011