Sigmund Freud besuchte im Sommer 1889 Ambroise A. Liébeault
„In der Absicht, meine hypnotische Technik zu vervollkommnen, reiste ich im Sommer 1889 nach Nancy, wo ich mehrere Wochen zubrachte. Ich sah den rührenden alten Liébault bei seiner Arbeit an den armen Frauen und Kindern der Arbeiterbevölkerung, wurde Zeuge der erstaunlichsten Experimente Bernheims an seinen Spitalspatientinnen und holte mir die stärksten eindrücke von der Möglichkeit mächtiger seelischer Vorgänge, die doch dem Bewusstsein des Menschen verhüllt bleiben. Zum Zwecke der Belehrung hatte ich eine meiner Patientinnen bewogen, nach Nancy nachzukommen. Es war eine vornehme, genial begabte Hysterika, die mir überlassen worden war, weil man nichts mit ihr anzufangen wusste. Ich hatte ihr durch hypnotische Beeinflussung eine menschenwürdigere Existenz ermöglicht und konnte sie immer wieder aus dem elend ihrer Zustände herausheben. Daß jedes Mal nach einiger Zeit rückfällig wurde, schob ich in meiner damaligen Unkenntnis darauf, daß ihre Hypnose niemals den Grad von Somnabulismus mit Amnesie erreicht hatte. Bernheim versuchte es nun mit ihr wiederholte Male, brachte es aber auch nicht weiter. Er gestand mir freimütig, daß er die großen therapeutischen Erfolge durch die Suggestion nur in seiner Spitalspraxis, nicht auch an seinen Privatpatienten erziele. Ich hatte viele anregende Unterhaltungen mit ihm und übernahm es, seine beiden Werke über die Suggestion und ihre Heilwirkungen ins Deutsche zu übersetzen.“ (Freud 1925d, 41)
Sigmund Freud (1925d): Selbstdarstellung. GW XIV, 31-96