Carl Furtmüller - Biografie von Sabine Zaufarek
Carl Leopold Furtmüller wurde am 2. August 1880 in Wien geboren. Sein Vater Josef Furtmüller war bei einer Handelsfirma tätig. Seine Mutter Caroline Biermann war die Tochter eines jüdischen Händlers, die zum katholischen Glauben konvertierte.
Er besuchte das Schottengmynasium und lege seine Matura 1898 mit Auszeichnung ab und begann im selben Jahr mit seinem Studium an der philosophischen Fakultät der Universität Wien. Er belegte Germanistik als Hauptfach und Philosophie und Französisch als Nebenfächer.
Ab 1901 unterrichtete er am Wiener Sophiengymnasium und wurde als Mitglied in den Gründungsausschuss des Volksheims, der ersten Volkshochschule Österreichs gewählt. 1902 promovierte er mit seiner Dissertation „ Die Theorie des Epos bei den Brüdern Schlegel, den Klassikern und Wilhelm von Humboldt“. 1903 bestand er die Lehramtsprüfung für Deutsch, 1906 für Philosophie und 1908 für Französisch.
Ein Jahre später heiratete er Aline Klatschko, Tochter eines sozialistischen, jüdischen Emigranten aus Russland. Sie war Pädagogin und sozialistische Gemeindrätin in Wien. Beide konvertierten im Jahr der Heirat zum evangelischen Glauben.
Von 1904-1909 lehrte er am Gymnasium in Kaaden (Tschechien) Deutsch, Latein und Griechisch. In dieser Zeit schrieb er die Abhandlung „Die Philosophie Schillers und der Deutschunterricht in den Oberklassen des Gymnasiums“, das bereits zentrale Gedanken von „Psychoanalyse und Ethik“ vorwegnahm.
1909 kehrte er nach Wien zurück und wurde am 20.10. desselben Jahres von Alfed Adler in die Psychologische Mittwoch- Gesellschaft eingeführt. Sieben Tage später wurde seine Aufnahme formell beschlossen. Am 3.11.1909 nahm er zum ersten Mal an einer Sitzung teil und versäumte bis zu seinem Austritt im Oktober 1911 keine einzige Sitzung. Er brachte philosophische und pädagogische Aspekte in die Diskussionen ein. Seinen ersten Vortrag über „Erziehung oder Fatalismus“ hielt er am 15. Dezember 1909. Furtmüller publizierte im Rahmen der 1910 veröffentlichten Diskussion der Psychoanalytischen Vereinigung seinen Aufsatz zum Thema Schülerselbstmord unter dem Pseudonym Karl Molitor.
Er unterschrieb nach Alfred Adlers schriftlichen Austritt mit anderen zusammen eine Deklaration, in dem Adlers Schritt gebilligt, aber der Wunsch nach einem Verbleib in der Gesellschaft geäußert wurde. Da die Abstimmung jedoch negativ ausfiel, schied auch er schließlich aus.
Nachdem er 1911 die Wiener Psychoanalytische Vereinigung verlassen hatte, war er ein wichtiger Mitarbeiter zur Gründung der Individualpsychologie. 1914 gab er mit Alfred Adler das Buch „Heilen und Bilden“, indem individualpsychologische Arbeiten vorgestellt wurden. Furtmüller betrachtete die Erziehung und Bildung als einen einheitlichen Prozess, der in der Verantwortung der Erwachsenen den Kindern gegenüber bestand.
Im ersten Weltkrieg wurde er zum Kriegsdienst einberufen. Zunächst war er Leiter einer mobilen Verpflegungskolonne und später Konzipient im Kriegsministerium. An seinem 38. Geburtstag am 2. August 1918 wurde dem Pazifisten Furtmüller das „Goldene Verdienstkreuz mit Krone am Bande der Tapferkeitsmedaille“ verliehen. In Sarajevo erkrankte er an Malaria und einem Erysipel.
Nach dem Krieg übernahm er eine wichtige Rolle in der Reformbewegung der Mittelschullehrer und wurde 1919 von Glöckel in die neu gegründete Reformabteilung des Ministeriums berufen. Er stand auf der Seite der Schwachen, um für deren Rechte zu kämpfen und ihren Anliegen Gehör zu verschaffen. Aufgrund seiner Erfahrung, dass die Armut zwangsläufig mit einem „Bildungsverbot“ einhergehe, setzte er sich ein Leben lang dafür ein, diesen unerträglichen und entwürdigenden Zustand zu ändern. Er strebte danach, benachteiligten Kindern und Jugendlichen den kostenlosen Zugang zu Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Von 1920 bis 1933 gab er die Zeitschrift des Stadtschulrats „Wiener Schule“ heraus. 1922 folgte er Glöckel in den Stadtschulrat.
Im Jahre 1934 wurde der Sozialist Furtmüller seines Amtes enthoben und seine Frau verhaftet.
Von 1934 bis zum Einmarsch Hitler in Wien 1938 unterstützten die Furtmüllers die aus dem Untergrund agierende Opposition gegen die Faschisten. Dann spitzte sich jedoch die Situation aufgrund der Rasengesetze für das Paar zu. Von einem Tag zum Anderen wurde er zum „Juden“ gestempelt und ihm verboten, im Park spazieren zu gehen.
1939 emigrierte Furtmüller mit seiner Frau nach Paris, sie wurden nach dem Einmarsch der Hitlertruppen in Frankreich interniert. Seiner Frau und ihm gelang im Frühjahr 1940 die illegale Flucht nach Spanien, wo sie aber in Francos Gefängnissen inhaftiert wurden.
Nur eines vom amerikanischen Präsidenten Roosevelt persönlich unterschriebene Visum rettete sie und gestattete ihnen die Ausreise über Lissabon in die USA, wo sie im Herbst 1941 eintrafen. Im Dezember desselben Jahres starb Aline Furtmüller an Leukämie.
Furtmüller arbeitete zunächst in einer Kleiderfabrik und anschließend als Lateinlehrer in Baltimore und schließlich als Übersetzer für die Österreich-Sendung der „ Voice of America“ und lebtte auch in New York. Außerdem war er eines der führenden Mitglieder der „Austrian Labor Committee“.
Er fand in Leah Cadbury eine neue Lebensgefährtin, die ihm bis zu seinem Tod zur Seite stand. 1947 bekam er eine Einreisebewilligung nach Österreich und er kehrte mit seiner neuen Lebensgefährtin nach Wien zurück. Ein Jahr später wurde er Direktor des Pädagogischen Instituts der Stadt Wien. Dieses leitete er bis zu seinem Tod.
1949 wurde die Wohnanlage im 5, Bezirk, Ziegelofengasse 12-14 „Aline Furtmüller Hof“ benannt.
Carl Furtmüller starb am 1. Jänner 1951 in Mariapfarr im Weihnachtsurlaub.
Danach kam es zu einer Umbenennung vom „Aline Furtmüller Hof“ In den „Furtmüllerhof“.
Bibliografie:
Carl Furtmüller
(1902): Curriculum vitae. Wien
(1903): Die Theorie des Epos bei den Brüdern Schlegel, den Klassikern und Wilhelm von Humboldt im Jahresbericht des Wiener Staatsgymnasium Taborstraße. Wien
(1910): Über den Schülerselbstmord in Diskussionen des Wiener Psychoanalytischen Vereins, Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung Band 1
(1912) Psychoanalyse und Ethik. München: Ernst Reinhardt Verlag
(1913): Wandlungen in der Freud’schen Schule. Zentrallblatt 3, S. 189-201
(1914 ): Die psychologische Bedeutung der Psychoanalyse in Heilen und Bilden, S. 168-186. Paris
(1926): Auf dem Weg zur Schulgemeinde. Wien
(1928): Innere Reform! Wien
(1930): Denken und Handeln. Wien
(1940): Ist die Hitlerjugend uns verloren? (unter dem Pseudonym Karl Schratt)
(1946): Alfred Adlers Werdegang, New York
Sekundärliteratur
Federn, Ernst (1992): Aus dem Kreis um Sigmund Freud. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch Verlag
Fischl, Hans (1950): Hofrat Dr. Carl Furtmüller: ein Siebziger in Erziehung und Unterricht S. 383ff
Furtmüller, Lux (1983): Carl Furtmüller – Ein Lebenslauf in Denken und Handeln. München/Basel 1983
Handlbauer, Bernhard (1990): Die Adler-Freud-Kontroverse. Frankfurt/Main: Psychosozialverlag
Lévy, Alfred (2002): Gestalten um Alfred Adler. Würzburg: Lönighausen&Neumann
Mühlleitner, Elke 1992): Biographisches Lexikon der Psychoanalyse. Die Mitglieder der Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft und der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung 1902-1938. Tübingen: edition diskord
Links:
http://wiki.verkata.com/de/wiki/Carl_Furtm%C3%BCller
http://www.israelim.info/isr/israel.html?view=mediawiki&article=Car_Furtm%C3%…
http://fraueninbewegung.onb.ac.at/Pages/PersonDEtail.aspx?p_iPersonenID=...
http://www.dasrotewien.at/online/page.php?P=11450http://wikipedia.org/wi...C3%BCller
Sabine Zaufarek, 2010
Redaktion: CD, 2010