Ernst Walter Kris - Biografie: Sabine Zaufarek
Ernst Walter Kris wurde am 26. April 1900 als Kind jüdischer Eltern – Rosa Schick und Leopold Kris – in Wien geboren. Er besuchte das Staatsgymnasium im 13. Bezirk. Durch eine rheumatische Erkrankung ein Jahr lang in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt, widmete er sich schon früh dem Studium der Kunst und Kunstgeschichte.
Im Frühling 1918 erhielt er die Genehmigung im Kunsthistorischen Lehrapparat der Universität Wien wissenschaftlich zu arbeiten.
Im Herbst desselben Jahres inskribierte er als ordentlicher Hörer an der philosophischen Fakultät und studierte wie seine Freunde Otto Kurz und Ernst Gombrich Kunstgeschichte bei Julius von Schlosser, dem berühmten Vertreter der Wiener Schule der Kunstgeschichte, und war auch Schüler von Emanuel Löwy, einem Archäologen und Freund Sigmund Freuds.
Für seine Zulassung zu den Abschlussprüfungen an der Wiener Universität gab er 1922 als Religionsbekenntnis katholisch an. Er promovierte im Fach Kunstgeschichte mit der Dissertation „Die Verwendung des Naturabgusses bei Wenzel Fannitzer und Bernhard Palissy“, 1926 veröffentlicht unter dem Til „Der Stil ‚rustique’“.
Nach dem Studium wurde Ernst Kris Kurator am Kunsthistorischen Museum in Wien und arbeitete dort in der Abteilung für Plastik und Kunstgewerbe.
1924 stellt ihn seine Verlobte Marianne Rie Sigmund Freud als Experte für dessen Antikensammlung vor.
Kris absolvierte seine Analyse auf Empfehlung Freuds 1924-27 bei Helene Deutsch.
Im Jahr 1927 heiratete Ernst Kris seine Verlobte Marianne Rie, nachdem diese von ihrer Analyse in Berlin nach Wien zurückgekehrt war.
Ein Jahr später wurden beide außerordentliche Mitglieder der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung.
Kris behandelte seine Patienten vor 9 Uhr morgens und nach 6 Uhr abends und arbeitete tagsüber im Kunsthistorischen Museum.
1929 bestellte ihn das Metropolitan Museum of Art in New York als führenden Experten Europas für Kameen und Gemmen, um dort eine neue Sammlung zu katalogisieren. Im selben Jahr erschien die zweibändige Arbeit „Meister und Meisterwerke der Steinschneidekunst in der Italienischen Renaissance“.
Von 1930-38 war er neben seiner Tätigkeit am Kunsthistorischen Museum auch als Lehranalytiker am Wiener Psychoanalytischen Institut beschäftigt.
An den Samstagabenden traf sich der Kartenclub „Schwarze Katze“ – eine Gruppe von jungen Psychoanalytiker-Ehepaaren – in der Wohnung von Helene und Felix Deutsch um neben dem Kartenspiel auch psychoanalytische Probleme zu erörtern: neben Felix und Helene Deutsch, Ernst und Marianne Kris, Dora und Heinz Hartmann, Willi und Hedwig Hoffer, Robert Wälder und Jenny Wälder-Hall, sowie Grete und Edward Bibring.
1933 wurde Ernst Kris ordentliches Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und studierte für einige Monate Medizin. Seine erste wichtige analytische Studie veröffentlichte er in der Zeitschrift „Imago“ über den Bildhauer Franz Xaver Messerschmidt unter dem Titel „Ein geisteskranker Bildhauer“. Durch eine sorgfältige Analyse des Gesichtsausdrucks der Skulpturen versuchte Kris den Wahn des Bildhauers zu rekonstruieren. Seit 1932 war er gemeinsam mit Robert Wälder Redakteur der „Imago“.
Beim 13. Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Luzern 1934 referierte er „Zur Psychologie der Karikatur“ und verband Freuds Auffassung über den Humor mit dessen früherer Arbeit „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“.
1936 war er sowohl im Vorstand, als auch im Lehrausschuss der WPV tätig. Gemeinsam mit Edward Bibring arbeitete er auch als Sekretär der internationalen Zentralstelle für psychoanalytische Bibliographie, die 1938 nach London verlegt wurde.
Im Jahre 1938 erfolgte die Emigration nach London.
Ernst Kris wirkte in London als Lehranalytiker am British Psychoanalytic Institute und arbeitete bis 1940 für den BBC an der wissenschaftlichen Analyse der Nazi-Propaganda.
1940 emigrierte er weiter nach Kanada und ließ sich schließlich im September desselben Jahres in New York nieder, wo er Professor an der New School for Social Research wurde und dort gemeinsam mit Hans Speier ein Forschungsprogramm für totalitäre Propaganda initiierte.
Ab 1943 lehrte Ernst Kris am New York Psychoanalytic Institute und betrieb eine psychoanalytische Praxis.
Er war viele Jahre Mitarbeiter von Heinz Hartmann und Rudolph Loewenstein, gemeinsam schufen sie wesentliche Beiträge zur psychoanalytischen Ich-Psychologie.
1945 wurde Kris gemeinsam mit Anna Freud und Heinz Hartmann Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschrift „Psychoanalytic Study of the Child“.
Kris wurde Professor am Yale University Child Study Center, wo er eine Längsschnittuntersuchung zur frühen Kindheit durchführte, eine Studie am New York Psychoanalytic Institute lief unter dem Namen „Gifted Adolescent Research Project“.
Im Jahre 1950 gründete er die Postgraduate Study Group des New York Psychoanalytic Institute, die er bis 1957 leitete. Außerdem schrieb er mit Marie Bonaparte und Anna Freud das Vorwort zu „Aus den Anfängen der Psychoanalyse“, einer Auswahl von Briefen Sigmund Freuds an Wilhelm Fließ.
Am 27. Februar 1957 starb Ernst Kris in New York.
Text: Sabine Zaufarek, 2008
Readktion: CD, 2008