Paul Schilder - Biografie: Sabine Zaufarek, Gabriela Wesenauer

Paul Ferdinand Schilder wurde am 15. 2.1886 als Sohn des jüdischen Seidenhändlers Ferdinand Schilder und seiner Frau Berta Fürth in Wien geboren. Sein Vater starb als er 3 Jahre alt war. Paul Schilder besuchte das Erzherzog Rainer-Gymnasiums, wo er 1904 auch maturierte.
Anschließend studierte er Medizin an der Universität Wien. Während seiner Studienzeit arbeitete Schilder bei Siegmund Exner und Heinrich Obersteiner und spezialisierte sich auf die Pathologie.
Er promovierte im Dezember 1909. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits vier neuropathologische Arbeiten veröffentlicht.
Neben dem gelegentlichen Besuch der Vorlesungen von Sigmund Freud begann Schilder 1910 an der philosophischen Fakultät zu studieren. Er schloss dieses Studium „in absentia“ 1917 mit dem Doktortitel der Philosophie, sein Dissertationstitel lautete: „Selbstbewußtsein und Persönlichkeitsbewußtsein“.                                                                                                      
In Halle an der Saale, wo er Assistent an der psychiatrischen Klinik bei Gabriel Anton wurde, setzte er seine philosophischen Studien fort.
Von 1912-1914 war er Assistenzarzt an der psychiatrischen Klinik in Leipzig, wo er auch 1912 die „Encephalitis periaxialis diffusa“ beschrieb, die unter dem Namen „Schildersche Krankheit“ in die neuropsychiatrische Literatur eingegangen ist.
Während des ersten Weltkrieges arbeitete er an der Front und in verschiedenen Krankenhäusern.
Nach dem Krieg ging Schilder nach Wien zurück und arbeitete unter Julius Wagner-Jauregg an der psychiatrischen Klinik.
1919 wurde er Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und im Jänner 1920 habilitierte er sich in Neurologie und Psychiatrie mit der Arbeit „Wahn und Erkenntnis“. Zwei Monate später hielt Schilder in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung ein Referat über „Identifikation“.
Er führte die „Samstag -Vorlesungen“ von Sigmund Freud weiter und nannte sie „Psychoanalytische Demonstrationen“. Seine Vorlesungen waren „Meisterwerke an Ideenreichtum, an Kühnheit und künstlerischer Gestaltung.“ (Stengel 1941, 378). Schilder hatte einige abweichende Auffassungen bezüglich der Todestriebtheorie und des Unbewußten; er machte auch keine eigene Analyse und lehnte die Notwendigkeit einer Lehranalyse ab (dies führte später dazu, dass ihn die New York Psychoanalytic Society zwang, sich von dieser Organisation zurückzuziehen). Schilder bestritt die Grundannahme Freuds, dass die Wünsche darauf gerichtet sind, einen Ruhezustand herzustellen. Triebe und Wünsche gehen über die Befriedigung hinaus. Ihre Tendenz beschränkt sich nicht nur darauf, den Menschen in einen Zustand der Ruhe zu versetzen, sie streben nach außen auf die Welt zu.
1923 schrieb er Arbeiten zum Körperbild und zwei Jahre später eine Studie „Entwurf zu einer Psychiatrie auf psychoanalytischer Grundlage“, die er auch in der WPV referierte. Weiters wurde ihm in diesem Jahr auch der Professortitel zuerkannt.
1928 musste Schilder die Wiener Klink verlassen und nahm dafür ein Semester die Lehreinladung von Adolf Meyer an der Henry Phipps Psychiatric Clinic der Johns Hopkins University in Baltimore wahr. Im März des darauffolgenden Jahres übernahm er die Leitung der Abteilung für die Behandlung von Psychosen im Ambulatorium der WPV, welche von ihm initiiert worden war und hielt außerdem Kurse am Lehrinstitut, war Vortragender des Akademischen Vereins für Medizinische Psychologie und hielt Kurse im Rahmen der American Medical Association in Wien.
Er übersiedelte 1930 nach New York und wurde zum Clinical Director der Psychiatric Division des Bellevue Hospital und zum Resarch Professor of Psychiatry am New York University College of Medicine ernannt. Bis 1932 war Schilder Mitglied der WPV, anschließend trat er in die New Yorker Gruppe über.
Weiters war er Mitglied der American Medical Association, der American Neurological Association, der American Psychiatric Association und der New York Society of Psychology, deren Präsident er seit 1935 war. 1936 wurde Schilder Mitglied der American Psychoanalytic Association.
In Forschung und Praxis gehörte Schilder zu den ersten Psychiatern, die psychoanalytische Ideen in umfangreichem Rahmen in die Psychiatrie integrierten und vor allem auf dem Gebiet der Psychosentherapie nutzten, darüber hinaus beschäftigte er sich intensiv mit psychoanalytischer Gruppentherapie. Er gilt gemeinsam mit Joseph H. Pratt und Trigant Burrow als einer der Gründungsväter der Gruppenpsychoanalyse.
Das Interesse an der Arbeit mit psychotischen Kindern führte auch zur Zusammenarbeit mit der Ärztin Lauretta Bender, die er schließlich 1937 heiratete.
Der Ehe war allerdings kein langes Glück beschieden; am 7. Dezember 1940 verstarb Paul Schilder an den Folgen eines Autounfalles, nachdem er seine Frau nach der Entbindung der gemeinsam Tochter im Krankenhaus besucht hatte.
Paul Schilder veröffentlichte ungefähr 300 wissenschaftliche Arbeiten im Bereich der Medizin und Philosophie. Obwohl sein Engagement für die Psychoanalyse teilweise auf Widerständes des traditionellen psychiatrischen Establishments stieß, trug er trotzdem dazu bei, dass die Psychoanalyse innerhalb der Psychiatrie, vor allem in den USA, einen großen Stellenwert gewinnen konnte.

Angelehnte Eponyme:
- Schilder-Krankheit: syn. orthochromatische Leukodystrophie (s. Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. 257. Auflage. Berlin, New York: De Gruyter 1994.)
- Addison-Schilder-Syndrom: Kombination aus der Addison-Krankheit und cerebraler Sklerose (der Schilder-Krankheit)
- Schilder-Foix-Krankheit: Erkrankung des Nervensystems ohne progressive sklerotische Läsionen der weißen Masse der cerebralen Hemisphäre.

Sekundärliteratur
Adler, Alexandra (1965): The Work of Paul Schilder. Bulletin of the New York Academy of Medicine 41, 841-853. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1750745/pdf/bullnyacadmed00281-0013.pdf
Hartmann, Heinz (1944): The Psychiatric Work of Paul Schilder. Psychoanalytic Review 31, 287-298.
Hubenstorf, Michael (1987): Österreichische Ärzte-Emigration In: Stadler, Friedrich (Hg.): Vertriebene Vernunft I. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft 1930-1940. Wien, München, 359-415.
Huber, Wolfgang (1977): Psychoanalyse in Österreich seit 1933. Wien, Salzburg.
Langer, D. (1979): Paul Ferdinand Schilder. Leben und Werk. Dissertation. Univ. Mainz.
Mühlleitner, Elke (1992): Biographisches Lexikon der Psychoanalyse. Die Mitglieder der Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft und der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung 1902-1938. Tübingen: Edition diskord.
(1941): Paul F. Schilder M.D. Psychoanal. Rev. 28, 300-301.
Roazen, Paul (1976): Sigmund Freud und sein Kreis. Bergisch-Gladbach.
Schilder, Paul (1917): Curriculum vitae. Wien 1917. Archiv der Universität Wien.
Stengel, Erwin (1941): Paul Schilder. IZP 1941, 377ff.
Vita of Paul Schilder (1985): In: Shaskan, D./Roller, W. (Hg.): Paul Schilder: Mind Explorer. New York.
Wittels, Fritz (1941): Paul Schilder, 1886-1940. Psa. Quarterly 10, 131-134.
Ziferstein, Isidore (1966): Paul Ferdinand Schilder 1886-1940. Psychoanalysis and Psychiatry. In: Alexander, Franz/Eisenstein, Samuel/Grotjahn, Martin (Hg.): Psychoanalytic Pioneers. New York, London: Basic Books.

Text: Sabine Zaufarek, Gabriela Wesenauer 2009-2010
Redaktion: CD, 2010