Freud, Sigmund (1919c): Internationaler Psychoanalytischer Verlag und Preiszuteilungen für Psychoanalytische Arbeiten
Im Herbst 1918 machte mir ein Mitglied der Budapester psychoanalytischen Vereinigung die Mitteilung, daß aus dem Erträgnis industrieller Unternehmungen während der Kriegszeit ein Fonds für kulturelle Zwecke beiseite gelegt worden sei, über dessen Verwendung ihn im Einvernehmen mit dem Oberbürgermeister der Stadt Budapest, Dr. Stephan Bárczy, die Entscheidung zustehe. Beide hätten sich entschlossen, den ansehnlichen Geldbetrag für die Zwecke der psychoanalytischen Bewegung zu widmen und mir die Verwaltung desselben zu übertragen. Ich nahm diesen Auftrag an und erfülle hiemit die Pflicht, dem Oberbürgermeister, welcher bald darauf dem psychoanalytischen Kongress einen so ehrenhaften Empfang in Budapest bereitete, wie dem ungenannten Mitglied, das sich ein so hohes Verdienst um die Sache der Psychoanalyse erworben, öffentlich zu danken.
Der auf meinen Namen getaufte und mir zur Verfügung gestellte Fonds wurde von mir zur Gründung eines “Internationalen psychoanalytischen Verlages” bestimmt. Ich hielt dies für das wichtigste Erfordernis unserer gegenwärtigen Lage.
Unsere beiden periodischen Publikationen, die “Internationale Zeitschrift für ärztliche Psychoanalyse” und die “Imago”, sind in der Kriegszeit nicht wie viele andere wissenschaftliche Unternehmungen untergegangen. Es gelang uns, sie aufrecht zu erhalten,
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aber infolge der Erschwerungen, Absperrungen und Verteuerungen der Kriegszeit mußten sie sich eine ausgiebige Verkleinerung ihres Umfanges und unerwünscht große Intervalle zwischen den einzelnen Nummern gefallen lassen. Von den vier Redakteuren der beiden Zeitschriften (Ferenczi, Jones, Rank und Sachs) war einer als Angehöriger eines feindlichen Staates von uns abgeschnitten, zwei andere eingerückt und durch Kriegsdienstpflichten in Anspruch genommen, und nur Dr. Sachs war bei der Arbeit verblieben, deren ganze Last er opferwilling auf sich nahm. Einige der psychoanalytischen Ortsgruppen sahen sich überhaupt genötigt, ihre Versammlungen einzustellen; die Anzahl der Beitragenden schrumpfte zusammen wie die der Abnehmer; es ließ sich voraussehen, daß der begreifliche Mißmut des Verlegers bald den weiteren Bestand der für uns so wertvollen Zeitschriften in Frage stellen würde. Und doch wiesen die mannigfaltigsten Anzeichen, die sogar aus den Schützengräben der Front zu uns kamen, darauf hin, daß das Interesse für die Psychoanalyse sich bei der Mitwelt nicht verringert habe. Ich meine, die Absicht war gerechtfertigt, diesen Schwierigkeiten und Gefahren durch die Gründung eines Internationalen psychoanalytischen Verlages ein Ende zu setzen. Der Verlag besteht heute bereits als G.m.b.H. und wird von Dr. Otto Rank geleitet, dem langjährigen Sekretär der Wiener Vereinigung und Mitredakteur beider psychoanalytischen Zeitschriften, der nach mehrjähriger Abwesenheit im Kriegsdienst zur früheren Tätigkeit im Dienste der Psychoanalyse wiedergekehrt ist.
Der neue, auf die Mittel der Budapester Stiftung gestützte Verlag stellt sich die Aufgabe, das regelmäßige Erscheinen und eine verläßliche Austeilung der beiden Zeitschriften zu sichern. Sobald die Schwierigkeiten der äußeren Verhältnisse es gestatten, sollen sie auch ihren früheren Umfang wiederbekommen oder ihm im Falle des Bedarfs, ohne Steigerung der Kosten für die Abnehmer, überschreiten können. Der Verlag wird aber außerdem, ohne eine solche Besserung abzuwarten, in das Gebiet der ärtzlichen und der
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angewandten Psychoanalyse einschlägige Bücher und Broschüren zum Druck befördern, und da er kein auf Gewinn zielendes Unternehmen darstellt, kann er die Interessen der Autoren besser in Acht nehmen, als dies von Seite der Buchhändler-Verleger zu geschehen pflegt.
Gleichzeitig mit der Einrichtung des psychoanalytischen Verlages wurde der Beschluss gefasst, alljährlich aus den Zinsen der Budapester Stiftung zwei hervorragend gute Arbeiten, je eine aus dem Gebiet der ärztlichen und der angewandten Psychoanalyse, mit Preisen auszuzeichnen. Diese Preise—in der Höhe von eintausend österr. Kronen—sollten nicht den Autoren, sondern den einzelnen Arbeiten zugeprochen werden, so daß es möglich bleiben müßte, daß der nämliche Autor wiederholt mit einem Preis bedacht werde. Die Entscheidung darüber, welche unter den in einem gewissen Zeitraum veröffentlichten Arbeiten durch die Preiszuteilung hervorgehoben werden sollen, wurde, nicht einem Kollegium übertragen, sondern einer einzelnen Person, der des jeweiligen Fondsverwalters, vorbehalten. Im anderen Falle, wenn das Richterkollegium aus den erfahrensten und urteilsfähigsten Analytikern gebildet wäre, hätten deren Arbeiten aus der Bewertung ausscheiden müssen, und die Institution könnte ihre Absicht, auf mustergültige Leistungen der psychoanalytischen Literatur hinzuweisen, leicht verfehlen. Wenn der Preisrichter in die Lage käme, zwischen zwei annähernd gleich wertvollen Arbeiten zu schwanken, sollte ihm ermöglicht sein, den Preis zwischen beiden zu teilen, ohne daß die Zuteilung eines halben Preises eine geringere Einschätzung der betreffenden Arbeit bedeutete.
Es besteht die Absicht, diese Preiszuteilungen im allgemeinen alljährlich zu wiederholen, wobei die gesamte in diesem Zeitraum veröffentlichte, für die Psychoanalyse bedeutsame Literatur das Material für die Auswahl abgibt und es nicht in Betracht kommt, ob der Autor der betreffenden Arbeit der Internationalen psychoanalytischen Vereinigung als Mitglied angehört.
ψα Editorische Anmerkung: Seitenende GW XII, 335
Die erste Preiszuteilung ist bereits erfolgt und hat sich auf die in der Kriegszeit, 1914-1918, erfolgten Publikationen bezogen. Der Preis für ärztliche Psychoanalyse wurde zwischen der Arbeit von K. Abraham “Untersuchungen über die früheste prägenitale Entwicklungsstufe der Libido” (Int. Zeit. IV, 2, 1916) und der Broschüre von Ernst Simmel “Kriegsneurosen und Psychisches Trauma”, 1918 geteilt, der für angewandte Psychoanalyse fiel der Arbeit von Th. Reik “Die Pubertätsriten der Wilden” (Imago IV, 3-4, 1915) zu.
Freud.
Redaktion: CD, 2010, 2013