Diana Rosdolsky (2014): Der Briefwechsel zwischen Ernst Federn und seinem Vater Paul zwischen 1945 und 1947
Veröffentlichung in: Diana Rosdolsky (2014): „Gewalttätigkeit verstehen“. Zum 100. Geburtstag des Psychoanalytikers und psychoanalytischen Sozialarbeiters Ernst Federn. Schwerpunktheft der Zeitschrift „Psychoanalyse. Texte zur Sozialforschung“, hg. von Oliver Decker. Gastherausgeber: Roland Kaufhold und Galina Hristeva. Heft 2/2014, 18. Jg., Nr. 33.
Der Aufsatz wirft nicht nur ein neues Licht auf die Beziehung zwischen Ernst und Paul Federn, sondern gibt auch ein Bild der Umstände, mit denen Vater und Sohn in dieser schwierigen Zeit konfrontiert waren. Zwar waren Paul, seiner Frau Wilma und ihrem Sohn Walter im Frühjahr 1938 die Emigration in die Vereinigten Staaten gelungen, Ernst aber wurde unmittelbar nach dem Anschluss verhaftet und in Dachau inhaftiert. Von dort wurde er im September 1938 in das Konzentrationslager Buchenwald verlegt. Nachdem das Lager von den Amerikanern befreit worden war, wurde Ernst gemeinsam mit belgischen Häftlingen nach Brüssel geflogen, wo er mehr als zwei Jahre blieb. Als Trotzkist hatte er Angst, in das sowjetisch besetze Wien zurückzukehren. Gemeinsam mit seiner Frau Hilde, die er erst Ende November 1946 in Brüssel wiedersah, schiffte er sich im Jänner 1948 in Rotterdam ein. Sie wurden am 8. Jänner von Paul in Hoboken, N.J. in Empfang genommen.
In den mehr als 80 Briefen, die das Konvolut umfasst, tauschen Ernst und Paul Gedanken über diverse Themen aus - so z.B. über Psychoanalyse, Marxismus und Politik -, befassen sich aber auch mit Ernsts bevorstehender Emigration und den damit verbundenen Schwierigkeiten. Auffallend ist, dass nicht nur Persönliches kurz ausfällt, sondern die gerade zurückliegende Haft im Konzentrationslager zwar thematisiert wird, die dortigen Lebensumstände jedoch so gut wie gar nicht. Auch erzählt Paul in keinem der Briefe, wie es ihm und dem Rest der Familie während des Krieges ergangen war.
Der Aufsatz stellt die Briefe in thematischer Ordnung vor, wobei in jedem Abschnitt ausgewählte Passagen aus den Briefen zitiert werden. Ein erster Abschnitt behandelt Bemerkungen zu den Auswirkungen von Ernsts Haft. Hier fällt die Widersprüchlichkeit seiner Aussagen auf. Einerseits erwähnt er Stimmungsschwankungen und Depressionen, andererseits fällt sein oftmals frappierender Optimismus auf, der ihn dazu veranlasste, sogar Lagererfahrungen in einem geradezu positivem Licht erscheinen zu lassen. Der nächste Abschnitt geht auf die von Ernst Federn in diesen zwei Jahren verfassten Schriften ein, deren gründliches Lektorat Paul in mehreren Briefen unternahm. Dabei handelt es sich um die Buchenwald Broschüre, den Aufsatz über Psycho-Hygiene und der Psychologie des Terrors. Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit der Psychoanalyse, wobei Vater und Sohn nicht nur auf theoretischer Ebene diskutierten, sondern auch Bemerkungen über Freud und seine Mitarbeiter austauschten. Auch war es ein Anliegen Pauls, seinem Sohn bei der Wahl eines Analytikers für seine eigene Analyse beizustehen. Der nächste Abschnitt geht weiteren Diskussionsthemen in den Briefen nach, wie z.B. Marxismus, Judentum und Antisemitismus. Der vorletzte Abschnitt nimmt sich ein persönliches Thema vor, nämlich Ernsts Beziehungen zu Frauen. Das letzte Kapitel schließlich widmet sich den Komplikationen der Emigration in die Vereinigten Staaten, den diesbezüglichen Befürchtungen Pauls und dem vorläufigen Widerwillen Ernsts, sich mit einem Leben in den USA begnügen zu müssen.
Ernst und Hilde Federn waren lange Jahre mit meinen Großeltern, Emily und Roman Rosdolsky, befreundet. Ungefähr ein Jahr vor seinem Tod gab Ernst mir den Briefwechsel zwischen ihm und seinem Vater und bat mich, ihn zu veröffentlichen. Der gesamte Briefwechsel wird voraussichtlich im Frühjahr 2016 im Psychosozial Verlag erscheinen.
Text: Diana Rosdolsky (gesendet an psyalpha am 26.11.2014)
Redaktion CD, 26.22.2014