Weitere Vorläufer und Begründer des Hypnotismus im Gefolge von Mesmer und Puységur
Franz Anton Mesmer und seinem Schüler Marquis de Puységur folgten weitere Männer, die ihren Beitrag zur Begründung des Hypnotismus leisteten, dem Schließlich James Braid seinen Namen gab und der im 19. Jahrhundert in den beiden großen Schulen des Hypnotismus von Nancy (Liébeault, Bernheim) und der Salpêtrière (Charcot) in Frankreich seine bedeutendeste Anwendung erfahren hatte.
Abbe Faria, ein portugiesischer Priester, hielt in Paris 1813 einen Vorlesung über den luiziden Schlaf ab. Er teilte nicht Mesmers Annahme eines physikalischen Fluidum aus und ging auch noch über die Hypothese von Puységur hinaus: Nicht die Kräfte im Magnetiseur verursache die Phänomene des luiziden Schlafes sondern er verlagerte den Fokus auf die magnetisierte Person; manche Menschen seien besonders empfänglich für die Magnetisierung. Seine Kranken hatten bequem zu sitzen und seine Handflächen zu fixieren, dann befahl er ihnen: „Schlafen Sie“, danach konnte er in ihnen Visionen hervorrufen und (posthypnotische) Befehle erteilen, die sie dann, ohne die Gründe zu wissen, im Wachen ausführten. Er konnte schlecht Französisch und es passierten ihm einige Missgeschicke, so dass er schließlich dem öffentlichen Spott zum Opfer fiel. Alexandre Dumas verewigte ihn in seinem Roman „Der Graf von Monte Christo“.
Joseph Philippe François Deleuze (12.4.1753 – 31.10.1835), Naturforscher und Bibliothekar des Pariser Nationalmuseums der Naturgeschichte, beschäftigte sich auch mit dem den Lehren und Praktiken von Mesmer und Puységur. Er wurde zum führenden Theoretiker des animalischen Magnetismus und schrieb ein Lehrbuch, in dem er eine streng empirischen Haltung vertrat und die Praktiken systematisierte.
Alexandre Bertrand untersuchte den tierischen Magnetismus experimentell und lieferte einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Erforschung der Hypnose. Er ging davon aus, dass im menschlichen Geist Gedanken sind, die man nicht kennt, die man nur an ihrer Wirkung erschließen kann. Liébeault stützte sich später auf seine Forschungen.
Zusammen mit anderen hatten diese Männer alle wesentlichen Merkmals der Hypnose beschrieben, vor allem in dem sie erkannten, dass die (psychische) Reaktion, der Rapport des Kranken dabei das entscheidende Moment darstellte. Sie dachten aber mit Hilfe des Magnetismus auch körperliche Krankheiten beeinflussen zu können. Es wurden Anweisungen für den Beginn und das Ende der Sitzungen gegeben. Man beschrieb negative Folgen von zu häufigen Seancen, den Gefahren des Missbrauchs und einer kollektiven wechselseitigen nicht erwünschten Reaktion im Gefolge von Seancen.
Die wissenschaftliche Anerkennung ihrer Lehren und Praktiken blieb ihnen jedoch weiter versagt.
In Deutschland fand mit dem Aufkommen der Romantik und der Naturphilosophie der Mesmerismus große Beachtung. Der Bericht (1816) einer 1812 eingesetzten Untersuchungskommission fiel günstig aus und in Berlin und Bonn wurden Lehrstühle eingerichtet.
Carl Alexander Ferdinand Kluge (1782-1844) verfasste ein Lehrbuch, darin beschrieb er, dass Magnetiseur und mit dem Kranken einen geschlossenen Kreis bildet, der vor Störungen aus der Umwelt geschützt werden müsse.
Friedrich Hufeland (18.7.1774-21.4.1839; Hofphysikus und Garnisonsarzt in Weimar) bemühte zur Beschreibung dieser geschützten Einheit das Bild von einer Schwangeren und ihrem Foetus.
Auch manche Medien wurden sehr berühmt.
Katharina Emmerick (1774-1824) Bäuerin, ehemalige Nonne, trug die Stigmata Christi und hatte nächtliche Visionen. Clemens Brentano besuchte sie und lebte im Gefolge 1819 bis zu ihrem Tod 1824 mit ihr.
Friedericke Hauffe (1801-1829), eine Seherin, wurde am 25. November 1826 dem Tode nahe zum Arzt und Dichter Justinus Kerner, der sich mit dem Mesmerismus beschäftigt hatte, gebracht und nachdem jede Medikation erfolglos war, begann er mit magnetischem Streichen, was langsam Besserung brachte. Er nahm sie am 6. April des darauffolgenden Jahres bis zu ihrem Tod 1829 in sein Haus auf, wurde von ihm täglich magnetisiert und in diesem Zustand zeigten sich ihre seherischen Fähigkeiten. Sie erregte damit großes öffentliches Interesse 1829 veröffentlichte Kerner ihre Geschichte, die erste Monografie einer Krankengeschichte.
Erst ab 1850 erlahmte in Deutschland das Interesse an diesen Phänomenen wieder und wurde von einer rationaleren Weltsicht abgelöst.
Etwas zeitversetzt fand der Magentismus auch in England Anhänger.
Der in Manchester lebende Arzt James Braid, angeregt von Demonstrationen des Magnetiseurs Lafontaine, verfolgte theoretisch einen hirnphysiologischen Ansatz. Von ihm stammte die Bezeichnung Hypnotismus.
Der Chirurg John Elliotson operierte PatientInnen, nachdem er sie in magnetischen Schlaf versetzt hatte.
Der Magnetismus fand auf der Insel viele Anhänger, 1851 brach in mehreren Städten sogar eine (hysterische) Epidemie aus.
In den USA fand die Bewegung über New Orleans ab 1840 Zuspruch.
Einer ihrer Exponenten, der Uhrmacher Phineas Parkhurst Quimby, verstand, dass die Heilwirkung des Magnetismus auf Suggestion beruhte. Eine seiner Patientinnen war Mary Baker Eddy, die später die Christian Science gründete.
Literatur:
Braid, James (1843): Neurhypnology, or The Rationale, of Nervous Sleep Considered
in Relation with Animal Magnet1sm. London: J. Churehill
Deleuze, J.P.F. (1825): In¬struc¬tion pra¬ti¬que sur le ma¬gnétisme animal. Paris
http://www.hypnose-kikh.de/content.php?id=53
Abbe de Faria: De la cause du sommeillucide, ou Etude de la nature de l’ho.mme. Tome ler, Paris, chez Mme. Horiac, 1819. (Von den vier Bänden, die Faria geplant hatte, wurde nur dieser veröffentlicht.)
Elliotson, John (1843): Numerous Chases of Surgieal Operations Without Pain in the
Mesmeric State. Philadelphia: Lea and Blanehard
Friedrich Hufe¬land, Friedrich (1805): Ausserordentliche Erhöhung der Sensibilität; ein Beitrag zu den Erfahrungen über Somnambulismus und thierischen Magnetismus. In: Archiv für die Physiologie, 6. Band, 2. Heft (1805), S.225–263
Hufeland, Friedrich (1811): Ueber Sympathie
Kerner, Justinus (1829): Die Seherin von Prevorst. Eröffnungen über das innere Leben und über das Hineinragen einer Geisterwelt in die unsere. Stuttgart-Tübingen: Cotta. 2 Bände
Kerner, Justinus (1824): Geschichte zweyer Somnambulen. Nebst einigen andern Denk¬würdigkeiten aus dem Gebiete der magischen Heilkunde und der Psychologie. Karls¬ruhe: Gottlieb Braun
Kluge, Carl Alexander Ferdinand (1815): Versuch einer Darstellung des animalischen Magnetismus, als Heilmittel. Wien: F. Hass
Quellen:
Ellenberger, Henry F. (1973): Die Entdeckung des Unbewußten. 2 Bde. Bern: Huber, Band 1, 89ff:
https://de.wikipedia.org/wiki/Justinus_Kerner
https://archive.org/details/versucheinerdar01kluggoog
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Hufeland
https://de.wikipedia.org/wiki/John_Elliotson
https://archive.org/details/instructionprati00dele
https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Philippe_Fran%C3%A7ois_Deleuze
https://de.wikipedia.org/wiki/Abb%C3%A9_Faria
https://de.wikipedia.org/wiki/Anna_Katharina_Emmerick
https://de.wikipedia.org/wiki/Friederike_Hauffe
Redaktion: CD, 3.2.2017