Aichhorn T. (Jahr). Zur Auflösung der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung
„Daß von allen Stätten der Welt gerade in Wien keine Psychoanalyse mehr betrieben werden soll, ist ein Gedanke, der einem den Atem raubt“
(Ernest Jones, Paris 1938).
Durch den Einmarsch der deutschen Truppen in den Morgenstunden des 12. März 1938 war die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich Wirklichkeit geworden. Durch diese politische Katastrophe bedingt, wurden Freud, seine Familie und fast alle Psychoanalytiker aus Wien vertrieben und die Wiener Psychoanalytische Vereinigung (WPV), damals eines der wichtigsten Zentren der Internationalen Psychoanalyse, musste aufgelöst werden.
Am Sonntag den 13. März 1938 fand eine Vorstandssitzung der Wiener Vereinigung statt, auf der zwei Beschlüsse gefasst wurden: Dass jeder, dem es möglich sei, aus dem Lande fliehen solle und dass der Sitz der Wiener Vereinigung dorthin zu verlegen sei, wo sich Freud niederlassen würde. Freud sagte: „Unmittelbar nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem durch Titus erbat Rabbi Jochanan ben Sakkai[1] die Erlaubnis, die erste Thoraschule in Jabne zu eröffnen. Wir sind im Begriff, dasselbe zu tun. Schließlich sind wir durch unsere Geschichte, Tradition und manche auch durch persönliche Erfahrung an Verfolgung gewöhnt“ (Jones 1957, S. 262f; Sterba 1982, S. 164). Es war, wie Anna Freud Jones bereits im März 1934 – zur Zeit der Vertreibung der jüdischen Psychoanalytiker aus Deutschland – geschrieben hatte, „eine neue Art von Diaspora.“[2]
Noch am gleichen Tag schrieb Anna Freud an den damals im Exil in Jerusalem lebenden Max Eitingon: „Ich habe eben einen Brief beiseite geworfen, den ich vor zwei Tagen begonnen habe; die Ereignisse haben ihn inzwischen überholt. Ich will nicht viel darüber schreiben, nur dass Sie sich nicht sorgen sollen und dass wir allerlei Pläne machen. Sobald es auf legalem Wege geregelt ist, werden wir wahrscheinlich nach Holland reisen. Ich werde Sie verständigen, wenn wir mehr wissen.“[3]
Anfang April 1938 berichtete Jones Eitingon über die Vorgänge in Wien. Er schrieb ihm, daß sich alles überaus langsam entwickle und daß es möglicherweise noch Monate dauern könne, bis Freud abreisen könne. Dorothy Burlingham, die überaus hilfreich gewesen sei, sei bereits in die Schweiz abgereist und Anna habe vorige Woche fünf Stunden bei der Gestapo zugebracht, was für sie und noch mehr für ihren Vater überaus beunruhigend gewesen sei. Martin, dessen Wohnung mehrere Male durchsucht worden sei, werde erst außer Gefahr sein, wenn er das Land verlassen habe [vgl. Molnar 1992, S. 410f]. […] Müller-Braunschweig versuche die Wohnung und die Bibliothek für eine Wiener Außenstelle der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie zu retten, aber im Moment sei niemand bereit, den Aufbau einer analytischen Sektion dieser Gesellschaft zu übernehmen. Dies sei also nun schon das zweite Mal, dass „Jung and Company“[4] mit Räumen und allem, was dazu gehört, beschenkt werden. Über seine Einschätzung der IPV schrieb er, daß die Amerikaner dabei seien, ihre Verbindung auf wissenschaftliche Diskussionen zu beschränken, die Franzosen hielten sich abseits und Holland und die Schweiz weigerten sich, Emigranten aufzunehmen. Es werde zwar vielleicht Hartmann nach Paris kommen können, aber was wird aus den anderen 79 Mitgliedern werden! Aus der Berggasse hätten die Nazis „nur“ Geld genommen (etwa 30 oder 50 britische Pfund, wie Jones schrieb). Freud habe dazu nur gesagt, dass er für einen Besuch nie so viel Geld erhalten habe.[5]
Marie Bonaparte, die der Familie Freud bei allen Verhandlungen äußerst hilfreich zur Seite stand, war am 17. März in Wien eingetroffen (vgl. Molnar 1992, S. 412, 418 u. 419), Jones war bereits am 15. März in Wien eingelangt, an dem Tag also, an dem Hitler auf dem Heldenplatz in Wien, unter dem Jubel zehntausender Menschen, „... den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich”, proklamierte (a. a. O., S. 411).
Bereits 16. März war von der Bezirksleitung der NSDAP Alsergrund, dem Bezirk in dem sich Freuds Wohnung und die Einrichtungen der WPV befanden, Anton Sauerwald[6] als kommissarischer Leiter der WPV, des Ambulatoriums der WPV und des Internationalen Psychoanalytischen Verlags eingesetzt worden. In einem Bericht vom 5. April schrieb er: „Eingesetzt wurde ich von der Bezirksleitung der NSDAP Wien IX. […] Grund der Einsetzung: Ausser der reinjüdischen Führung der obgenannten Institutionen bestand die Gefahr, dass aus den großen Beständen des Buch- und Zeitschriften Verlags irgend welche Verschleppungen durchgeführt werden könnten.“[7]
Sauerwald, der unmittelbar nach dem „Anschluss“ tätig geworden war, handelte zunächst nicht in einem offiziell gültigen Auftrag. Dazu kommt, dass er als kommissarischer Leiter eines Vereins eingesetzt worden war, der bereits unmittelbar nach der Machtübernahme vom „Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS“ geschlossen worden war. Die Schließung der WPV – und auch die des Internationalen Psychoanalytischen Verlags – war bereits vorher von Berlin aus geplant und vorbereitet gewesen und für die Durchführung war nicht Sauerwald sondern SS-Hauptsturmführer Hans Ehlich vom SD-Hauptamt in Berlin vorgesehen, der allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Wien eingetroffen war.[8] Die Bezirksleitung der NSDAP Alsergrund, die sich mit Sauerwalds Hilfe der WPV und des Verlags bemächtigen wollte, war möglicherweise über den Schließungsbefehl nicht informiert.
Sauerwald dürfte angenommen haben, dass er über die Zukunft der Vereinigung allein entscheiden konnte. Er ließ außer Acht, dass die Vereinigung bereits aufgelöst worden war und dass er in Wahrheit überhaupt keine Entscheidungskompetenz mehr hatte.
Obwohl der Besitz der WPV aufgrund des Schließungsbefehls des Sicherheitsdienstes bereits beschlagnahmt worden war, sollte nun mit Hilfe Sauerwalds versucht werden, eine Möglichkeit zu finden, den Besitz der WPV und möglichst auch einen Teil des Vermögens von Sigmund und Anna Freud, die die Eigentümer des Verlags waren, zu retten.[9] Zu diesem Zweck hatte Sauerwald am 20. März eine Sitzung der WPV einberufen. Bei dieser Zusammenkunft wurde beschlossen worden, „dass der Obmann der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, Herr Prof. Dr. Sigmund Freud Herrn Dr. Carl Müller-Braunschweig als Vertreter der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft ersuchen möge, dass diese Gesellschaft als Treuhänderin die Rechte und Pflichten der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und gleichzeitig auch das Vermögen übernehmen möge. […] Herr Dr. Müller-Braunschweig erklärt nach interurban telephonischer Rücksprache mit Herrn Prof. Dr. Göring, dass die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft bereit sei, die Treuhänderrolle zu übernehmen.“[10]
In seinem Bericht über die Ereignisse in den einzelnen Vereinigungen sagte Jones anlässlich des XV. Internationalen Psychoanalytischen Kongresses, der vom 1. bis zum 5. August 1938 in Paris stattfand, über die Wiener Vereinigung: „Ich habe nun über das unglückselige Schicksal zu berichten, das die Wiener Vereinigung betroffen hat. Wer hätte, als ich an ihren ersten Zusammenkünften vor mehr als zweiunddreißig Jahren teilnahm, gedacht, daß mir die Aufgabe zufallen würde, am 20. März dieses Jahres die praktische Auflösung dieser Vereinigung, der Mutter aller psychoanalytischen Gesellschaften, zu beantragen. Der Obmann der Wiener Vereinigung, Professor Freud, gab seine Zustimmung, als ihm empfohlen wurde, die Rechte und Pflichten der Vereinigung treuhändig an die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft zu übertragen; über das endgiltige Resultat dieses Verfahrens sind wir noch im Unklaren. Sofort kam ausgedehnte Hilfe für unsere heimatlos gewordenen Wiener Kollegen, die sich mit nur vier Ausnahmen alle in englisch sprechenden Ländern niedergelassen haben“ (IZ, Bd. XXIV, S. 367).[11]
In den folgenden Wochen meinten Jones, Göring und vor allem Müller-Braunschweig und Sauerwald die vereinbarte Übernahme der Wiener Vereinigung durch die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft (DPG) unter Missachtung aller damals gültigen gesetzlichen Regelungen intern regeln und die Sachwerte der WPV über die DPG dem Deutschen Institut übertragen zu können.
Dass es misslingen musste, der DPG das Vermögen der WPV zu übertragen, muss wohl auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die österreichisch-nationalsozialistische Ärzteschaft sicherlich keine Interesse daran hatte, in Wien ein psychoanalytisches Institut bestehen zu lassen und durch eine Verschmelzung mit dem Institut in Berlin noch dazu aufzuwerten.
Müller-Braunschweig versuchte, wohl in Absprache mit Jones, Richard Sterba, der bereits am 16. März in die Schweiz geflohen war, dazu zu bewegen, nach Wien zurückzukehren, um im Namen des Deutschen Instituts die Leitung der Institutionen der WPV zu übernehmen. Er schrieb ihm am 5. April: „Die Wiener ps. V. ist nach Austritt ihrer jüdischen Mitglieder in der ‚Deutschen psa. Ges.’ aufgegangen. Es handelt sich darum, aus der Berggasse 7 ein Institut zu bilden, das wie in Berlin die verschiedenen ps. therapeutischen Richtungen paritätisch arbeiten lässt u. dadurch auch der Ps.A. eine Möglichkeit der Selbsterhaltung u. der Arbeit sichert. Dazu brauchen wir dringend die volle Mitarbeit u. Hilfe der wenigen arischen Mitglieder der ehemal. ‚Wiener psas. V.’ “ (zit. nach Sterba 1982, S.169f). Sterba lehnte es ab, nach Wien zurückzukommen (a. a. O., S. 170ff).[12] Aber auch kein anderes Mitglied der WPV erklärte sich dazu bereit, die Leitung einer dem Deutschen Institut angegliederten Einrichtung zu übernehmen. Im April 1947 sagte Sauerwald laut Protokoll eines Gerichtsverhörs im Rahmen seines Volksgerichtshofprozesses: „[Ich] versuchte für die provisorische Leitung dieser Unternehmungen [Vereinigung, Ambulatorium und Verlag] – bezw. Geschäftsführung, Herrn Vorstand Aichhorn oder Dr. Hartmann zu gewinnen. Beide lehnten ab. […] Die Vereinigung löste sich laut Generalversammlungsbeschluss selbst auf und hat ihren Sitz nach England verlegt [Hier bezieht sich Sauerwald wohl auf die Generalversammlung vom 13. 3.].“[13]
Sowohl Sauerwald wie auch Müller-Braunschweig dürften versucht haben, sich an die Abmachungen vom 20. März zu halten, schätzten dabei aber die wahre Lage der Dinge – ihr Versuch war ja in Wahrheit von allem Anfang an zum Scheitern verurteilt – vollkommen falsch ein. Sie sollten bald eines Besseren belehrt werden. Darüber berichtete Sauerwald im Beweisantrag, den er bei seinem Volksgerichtsprozess einbrachte: „Als der Sonderbeauftragte für diese Angelegenheit [nämlich der Liquidation der bereits vom Sicherheitsdienst geschlossenen WPV] namens Dr. Ehlich vom S.D. - Hauptamt in Berlin, welcher einige Tage später in Wien eintraf, von dieser Generalversammlung und deren Beschluss erfuhr [Sauerwald meinte in diesem Zusammenhang wohl die Versammlung vom 20. 3.], wurden mir und Dr. Müller-Braunschweig deshalb schwerste Vorwürfe und Vorhalte gemacht. […] Sämtliche 3 Unternehmen [Vereinigung, Ambulatorium und Verlag] waren vom SD-Hauptamt Berlin, Gestapo, sowie Pressepolizei und von der Reichsärzteführung als untragbar bezeichnet worden und zur sofortigen Auflösung bezw. Liquidierung bestimmt worden. […] Das Vermögen der Vereinigung wurde […] restlos dem Bankhaus Schellhammer und Schattera in Wien überwiesen.“[14] Ehlich hatte Sauerwald und Müller-Braunschweig sehr nachdrücklich klar gemacht, dass Vereinbarungen, die mit dem jüdischen Vorstand eines bereits vom Sicherheitsdienst aufgelösten Vereins eingegangen worden waren, keine verbindliche Bedeutung haben konnten. Ja, mehr noch, sie wurden von ihm heftig beschimpft, weil sie dazu bereit gewesen waren, überhaupt mit dem Vorstand der WPV zu verhandeln. Auf seinen Befehl hin konnte nun nichts mehr von dem, was am 20. März vereinbart worden war, umgesetzt werden, alle Versuche, andere Lösungen zu finden, mussten aufgegeben werden.[15] Der Beauftragte des Reichsärzteführers in Österreich, Rudolf Ramm, und Ehlich verfügten im April endgültig die Auflösung der WPV, die, nachdem ihr gesamtes Vermögen eingezogen und an den „Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände“ abgeliefert worden war – diese Arbeiten erledigte der dazu nun offiziell befugte Sauerwald –, am 25. August 1938 endgültig geschlossen wurde.
Die Räumlichkeiten der WPV, die sich im ersten Stock des Hauses Berggase 7 befanden, wurden samt Inventar beschlagnahmt und dem Orientalischen Institut der Universität Wien übergeben. Was mit der Bibliothek der WPV geschah, konnte bisher nicht restlos aufgeklärt werde. Es ist nicht gelungen, mit Sicherheit herauszufinden, ob die Bücher bis nach Berlin gekommen sind und falls sie dort angekommen sein sollten, was dann weiter mit ihnen geschah.
Quellen:
AFP/LoC = Anna Freud Papers im Archiv der Library of Congress, Washington.
NAA = Nachlass August Aichhorn, Archiv Th. Aichhorn.).
NME = Nachlass Max Eitingon im Israelischen Staatsarchiv Jerusalem.
ÖStA = Österreichisches Staatsarchiv.
SFP/LoC = Sigmund Freud Papers im Archiv der Library of Congress, Washington.
WStLA = Wiener Stadt- und Landesarchiv.
Literatur:
Jones, E. (1957): Das Leben und Werk von Sigmund Freud. Bd. III. Bern und Stuttgart: Verlag Hans Huber 1962.
Molnar, M., Hg. (1992): Sigmund Freud Tagebuch 1929 – 1939 Kürzeste Chronik. Frankfurt am Main: Stroemfeld 1996
Steiner, R. (2000a): „It is a new kind of Diaspora“. London & New York: Karnac Books.
Sterba, R. (1982): Erinnerungen eines Wiener Psychoanalytikers. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1985.
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[1] Jochanan ben Sakkai hatte sich immer wieder dafür eingesetzt, mit Rom Frieden zu schließen, da er die Zerstörung Jerusalems und den Verlust des Tempels voraussah. Seine Warnungen wurden aber nicht beachtet. Voller Trauer erkannte er, dass die Juden geschlagen und Jerusalem zerstört werden würde. Wie konnten die Juden aber weiterleben ohne die heilige Stadt und ohne den Tempel? Er erkannte klar: die Juden würden auch ohne Tempel durch das Lernen und Studieren der Tora und durch das Hochhalten der Tradition überleben können. Um nicht mit den übrigen Juden unterzugehen, wurde ihm klar, dass er Jerusalem verlassen musste. Dazu ersann er einen geschickten Fluchtplan: Er wies seine Schüler an, das Gerücht zu verbreiten, er sei gestorben. Ruhig und ohne Furcht befahl er seinen Studenten, ihn in einen Sarg zu legen. Vertrauensvoll taten die Jünger, wie ihr Meister verlangte. Bei Sonnenuntergang bewegte sich der Leichenzug zu einem der Stadttore. Es wurde erlaubt, daß der Sarg die Stadt verlassen durfte und so entkam er aus Jerusalem, ein lebender Mann in einem hölzernen Sarg. Seine erste Aufgabe bestand nun darin, zum Heerführer der Römer zu gelangen, zu Titus Flavius Vespasianus, um zu erreichen, dass dieser das Städtchen Jabne und seine Gelehrten verschone. Vespasian entsprach dem Wunsch und befahl, Jabne zu verschonen. Die Hochschule in Jabne würde als neues Zentrum der Tora, des Lernens und des Lehrens, weiterleben.
[2] A. Freud an E. Jones, Brief vom 6.3.1934 (zit. nach Steiner 2000, S. 2).
[3] A. Freud an M. Eitingon, Brief vom 13.3.1938, Original: AFP/LoC.
[4] Jung war damals der Präsident der „Allgemeinen Ärztliche Gesellschaft für Psychotherapie“ und über Göring war das Deutsche Institut mit ihm verbunden. Als es 1936 gegründet worden war, hatte das Deutsche Institut das Inventar des Berliner Psychoanalytischen Instituts, das ursprünglich Eitingon gehört hatte, übernommen.
[5] „Things are moving terribly slowly in Vienna. Some people think it may be a couple of month before the Professor is able to get leave to travel. I think myself, and very much hope, that it will be quicker than this. What news we have is not pleasant. Mrs. Burlingham had to leave for Switzerland on account of a pulmonary breakdown. She was extremely useful in Vienna, having a motor car, contact with the American Embassy, etc., as well as for her personal value. Anna last week had to spend five hours at the Gestapo which was disquieting to her and still more to her father. Martin’s [Freud] flat has been raided at least 4 or 5 times and he will not be out of personal danger until he leaves the country. […] Müller-Braunschweig will probably secure the rooms and Bibliothek for the future use of the Viennese Branch of the Deutscher Gesellschaft für Psychotherapie. There does not seem to be anyone at the moment to start an analytical section of this in Vienna. This is the second time we have presented Jung and Company with a magnificent suite of rooms, etc. […] You can guess what I think of the I.P.V. The Americans, as you know, intend to confine their connection with us to scientific discussion. The French are aloof in this crisis and want their subscription to the I.P.V. reduced because of the rise in the French franc! Holland refuses to admit any refugees, as of course does Switzerland. Probably one of them, Hartmann, will come to Paris, but what is to become of the other 79. […] They did not take anything from Berggasse 19 except money. I do not think it was a very large sum, between £ 30 and £ 50. The only remark Professor made about the ‚Besuch’ was that he had never received so much money for one in his life. You see he keeps his humour magnificently” (E. Jones an M. Eitingon, Brief vom 4.4.1938; Original: NME).
[6] Anton Sauerwald (1903–1970) wurde als Sohn eines Apothekers in Wien geboren. 1929 schloss er sein Studium der Chemie ab, 1930 eröffnete er ein chemisches Laboratorium. Er war schon vor 1938 Mitglied der illegalen NSDAP. Am 16. 3. 1938 wurde er mit der kommissarischen Leitung der psychoanalytischen Institutionen in Wien – Institut, Ambulatorium, Verlag – betraut. Ein Prozess, der 1948/49 u. a. wegen angeblicher Bereicherung bei dieser Tätigkeit gegen ihn geführt wurde, endete am 10. 1. 1949, nicht zuletzt dank der Interventionen von A. Freud und M. Bonaparte, mit Freispruch. Eine Haftentschädigung wurde ihm nicht zuerkannt, da die Verdachtsgründe gegen ihn „nicht voll entkräftet worden“ seien und seine Handlungsweise „zumindest einer grob unsittlichen gleichkomm[e]“ (Akt des Sauerwaldsprozesses; WStLA).
[7] Bericht Sauerwalds an Staatskommissar Walter Rafelsberger vom 5. April 1938 (ÖStA).
[8] In dem mit 20. 9. 1945 datierten Ansuchen an den Wiener Magistrat wegen „Außerkraftsetzung der Auflösung des Vereins WPV und Genehmigung des Wiederauflebens der Vereinstätigkeit“ heißt es daher folgerichtig: „Die vom Universitätsprofessor Dr. Sigmund Freud im Jahre 1908 in der Rechtsform eines im Vereinsregister eingetragenen Vereins gegründete Wiener Psychoanalytische Vereinigung wurde über Anordnung des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei im März 1938 aufgelöst“ (Kopie: NAA).
[9] Es ist heute nicht mehr möglich, genau festzustellen, ab wann man in der WPV darüber informiert war, dass die Vereinigung von den neuen Machthabern geschlossen worden war und dass daher die Aktionen der NSDAP Alsergrund auch im Sinne der damals gültigen Vorschriften illegal waren.
[10] Original des Protokolls: SFP/LoC.
Das Dokument wurde von August Beranek, Edward Bibring, Paul Federn, Anna Freud, Martin Freud, Heinz Hartmann, Eduard Hitschmann, Willy Hoffer, Ernest Jones, Ernst Kris, Marie, Prinzessin von Griechenland, Carl Müller-Braunschweig, Anton Sauerwald, Berta Steiner und Robert Wälder unterschrieben.
Das Protokoll wurde in einer Photokopie im IJ, Vol. XIX, Part 3, Juli 1938 in einer Fotokopie veröffentlicht.
[11] Welche vier, aus Wien geflohene Mitglieder Jones gemeint haben könnte, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Heinz Hartmann und Rosa Walk befanden damals jedenfalls in Paris, Ernst Paul Hoffmann in Brüssel und Robert Hans Jokl war damals noch in Italien oder in der Schweiz.
[12] 1977 schrieb Harald Leupold-Löwenthal an Anna Freud: „Die Anwälte des Herrn Dr. Richard Sterba haben mir beiliegenden Entwurf für eine Bestätigung überreicht, die die Wiener Psychoanalytische Vereinigung ausstellen soll. […] Da kein Mitglied der Wiener Psychoanalytische Vereinigung Zeuge der damaligen Ereignisse mehr war, haben die Vorstandsmitglieder gemeint, daß Sie uns vielleicht mit dieser Auskunft helfen können“ (H. Leupold-Löwenthal an A. Freud, Brief vom 3. 12. 1977; Original: AFP/LoC).
Entwurf: „Dr. Richard Sterba war bis 1938 als Psychoanalytiker in Wien tätig und er gehörte zum engeren Kreis der Mitarbeiter von Professor Sigmund Freud. Professor Freud und die österreichischen Analytiker, von denen viele Juden waren, wurden von nationalsozialistischer Seite scharf angegriffen. Nach der Besetzung Österreichs wurden sie, soweit sie Juden waren, zur Auswanderung gezwungen. Dr. Sterba hat sich bei Angriffen auf jüdische Kollegen stets mit diesen solidarisiert und er hat es auch nach dem März 1938 abgelehnt, gesinnungsmäßige oder wissenschaftliche Kompromisse mit dem Nationalsozialismus zu schließen. Er wanderte kurz nach der Besetzung aus, wobei es wahrscheinlich ist, daß er bei Aufrechterhaltung seiner bekannten Gegnerschaft zum Nationalsozialismus in absehbarer Zeit Verfolgungen ausgesetzt gewesen wäre“ (o. D.; Kopie: AFP/LoC).
Anna Freud antwortete: „Was Dr. Richard Sterba betrifft, so ist die vorgeschlagene Bestätigung absolut richtig. Richard Sterba und seine Frau Editha Sterba waren wichtige aktive Mitglieder der Psycho-Analytischen Vereinigung. Er ist kurz nach dem Einmarsch Hitlers ausgewandert, und wie wir damals sehr gut verstanden haben, war es seine Hauptsorge dass er als einer der wenigen nicht-jüdischen Analytiker gezwungen worden wäre mit den Nationalsozialisten gemeinsame Sache zu machen und bei der Auflösung der Wiener Vereinigung aktiv mitzuarbeiten. Er war in dieser Richtung gefährdeter als jeder andere“ (A. Freud an H. Leupold-Löwenthal, Brief vom 12. 12. 1977; Kopie: AFP/LoC).
[13] Zit. nach den Gerichtsakten (Akt: WStLA).
[14] Beweisantrag von Anton Sauerwald an das Volksgericht Wien, Eingangsstempel vom 10. Oktober 1947 (WStLA). Nach der „Vermögensübersicht der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und des Ambulatoriums der Wr. Psa. Vereinigung“ handelte es sich um „Schilling 22. 620,99“. Sauerwald an den Stillhaltekommissar Pg. Bartholomä am 3. 9. 1938 (Akt: ÖStA).
[15] Zum Ambulatorium der WPV und zu der von Göring in Wien eingerichteten Arbeitsgruppe des Deutschen Instituts: Vgl. Psychoanalyse in Wien 1938-1946.