Aichhorn T. (Jahr). Psychoanalyse in Wien 1938-1946
Mit einer Notiz in der Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie teilte der „Leiter des ‚Deutschen Institutes für psychologische Forschung und Psychotherapie e.V.’, Prof. Dr. Dr. M.H. Göring“ folgendes mit: „Die Hochburg der jüdischen Psychotherapie in Wien ist durch den Anschluss Österreichs gefallen. Es ist geglückt, eine kleine Gruppe deutscher Psychotherapeuten in Wien zu einer Arbeitsgemeinschaft zu vereinigen. Diese ist dem oben genannten Institut angeschlossen. Zum Leiter dieser Arbeitsgemeinschaft hat Prof. Dr. Dr. Göring den alten Parteigenossen Dozent Dr. Kogerer bestellt“ (Notiz in der Allg. Zeitschrift für Psychiatrie, 1938, Jg. 108, S. 410).
Am 15. 3. 1938 hatte Göring an Kogerer[1] geschrieben: „Es ist mir, zugleich im Namen der Deutschen allgemeinen ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie und des Deutschen Institutes für Psychologische Forschung und Psychotherapie, ein Bedürfnis, Ihnen zu sagen, dass wir uns über den nunmehr vollzogenen Anschluss an Deutschland ausserordentlich gefreut haben; wir begrüssen Sie auf das herzlichste. Darf ich Ihnen vorschlagen, dass Sie Ihre Landesgruppe auflösen und dies dem Präsidenten der Internationalen Gesellschaft mitteilen. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie in Österreich eine Arbeitsgemeinschaft aufziehen würden; die Arbeitsgemeinschaften sind nicht der Deutschen Gesellschaft sondern dem Institut angeschlossen. Es besteht zurzeit eine Arbeitsgemeinschaft in Düsseldorf unter Leitung von Mohr, eine in Wuppertal unter Leitung von Curtius, eine in Stuttgart unter Leitung von Roemer und zwei in München, von denen die eine Heyer, die andere Seif leitet.“[2] Und am 20. März verfasste Göring einen Brief an Müller-Braunschweig, in dem er ihm mitteilte, dass er wünsche, dass ein außerhalb der einzelnen Richtungen stehender Psychotherapeut die Funktion des Leiters der Arbeitsgruppe Wien übernehmen solle. Er schlage daher vor, Herrn v. Kogerer als kommissarischen Leiter zu benennen.
Kogerer erreichte schließlich, dass das Ambulatorium der WPV gesperrt wurde und die Patienten an das von ihm geführte Ambulatorium überwiesen wurden. Göring ging es offensichtlich darum, den Berliner Psychoanalytikern – und damit zugleich der Psychoanalyse – keinen weiteren Einflussbereich zu verschaffen.
Kogerer war nicht daran interessiert, einen Ableger des Göring-Institutes in Wien zu haben.[3] Er nahm Aichhorn zwar auf Anweisung Görings in die Wiener Arbeitsgruppe des Deutschen Instituts auf,[4] aber als entschiedener Gegner der Psychoanalyse und der psychotherapeutischen Tätigkeit von Nicht-Ärzten legte er keinerlei Wert auf eine tatsächlich Zusammenarbeit mit ihm. Aichhorn teilte Göring mit: „Bei der Arbeitsgemeinschaft habe ich mich […] angemeldet. Dozent v. Kogerer hat meine Anmeldung […] angenommen. Viel Arbeitsaussicht macht er mir damit nicht. Und zu seiner Freude, mich als Gast im Ambulatorium begrüßen zu können, steht im Gegensatz, daß er mir nicht mitteilt, wo das Ambulatorium ist, und wann er seine Sprechstunden hält.“[5]
Zur Zusammenarbeit der Arbeitsgruppe ist es unter Kogerer, der Ende August 1939 zum Militär eingezogen und als Militärpsychiater in Krakau stationiert worden war, kaum gekommen (Cocks 1997, S. 178). Die anderen Mitglieder dieser Arbeitsgruppe waren zunächst die in Wien zurückgebliebenen Individualpsychologen Ferdinand Birnbaum und Oskar Spiel (vgl.: Gstach 2006; Kenner 2007, S. 44), der Arzt Walther Hoffmann, seit 1934 Mitglied der illegalen NSDAP, sowie Norbert Thumb, der als Assistent am Psychologischen Institut der Universität Wien beschäftigt war und unmittelbar nach dem „Anschluss“ der NSDAP beigetreten war.
Obwohl ihn Göring schätzte und schützte, war Aichhorn Anfeindungen ausgesetzt, die für ihn durchaus gefährlich waren. Eine dieser Situationen ist dem Briefwechsel zwischen Aichhorn, Göring und Paul Schröder, vor allem aber dem zwischen Aichhorn und Rosa Dworschak zu entnehmen. Als Göring Aichhorn aufgefordert hatte, anlässlich der 1. Tagung der damals neuen Deutschen Gesellschaft für Kinderpsychiatrie und Heilpädagogik, die am 5. September 1940 in Wien stattfand, einen Vortrag zu halten, schrieb ihm Aichhorn, dass er es für ungünstig halte, im Rahmen der Tagung öffentlich auftreten.[6] Göring aber blieb hartnäckig und verlangte von Aichhorn, trotz seines hinhaltenden Zögerns, einen Vortrag zu halten. Aichhorn sagte schließlich zu, dann aber schrieb ihm Schröder, der der Organisator der Tagung war, dass ein heftiger Streit um ihn entstanden sei.[7] Aichhorn antwortete ihm, dass er es unter solchen Umständen endgültig ablehne, einen Vortrag zu halten.[8] Auch Göring schrieb er, dass er abgesagt habe. Göring teilte Aichhorn daraufhin mit, dass ihm Schröder mitgeteilt habe, dass eine Reihe Herren aus dem Wiener Stadtschulrat [Aichhorn] als völlig untragbar bezeichnet hätten und dass er deswegen auf seine Mitwirkung verzichten müsse. Als Aichhorn auch abgelehnt hatte, in der Diskussion das Wort zu ergreifen, schrieb ihm Göring:
„Ich verstehe durchaus, dass Sie in der Diskussion nicht sprechen wollen. Ich glaube, dass die Wiener nur deswegen eine Abneigung gegen Sie haben, weil Sie der psychoanalytischen Gesellschaft angehört haben. Ich kann mir nicht denken, dass irgend ein persönlicher Grund vorliegt.“[9]
In einem Brief an Rosa Dworschak schrieb Aichhorn über die wahren Gründe seiner Ablehnung: „Heute kam von Prof. Schröder der in Abschrift beiliegende Brief. Ich antworte ihm nicht mehr, sehe die Sache vorläufig für abgeschlossen an. Prof. Göring schicke ich wieder eine Abschrift dieses Briefes und teile ihm gleichzeitig auf seinen Brief, den ich Dir in Abschrift auch geschickt habe, mit, daß ich bei der Diskussion das Wort nicht ergreifen werde, sondern eine völlige Klärung abwarte. Ich hab den Eindruck, daß Görings Macht nicht ausreicht meinen Vortrag auf dem Heilpädagogenkongress zu erzwingen, daß er aber aus seinen Beziehungen zu mir, den Leuten zeigen will, daß er mich hält. Deswegen soll ich auf dem Psychotherapeutenkongress der zwei Tage früher stattfindet, 10 Minuten reden. Nun weiß ich nicht, was die Leute gegen mich anführen. Sind es nur die Analytiker, Juden, so käme ich Göring entgegen und würde sprechen, weil er diese Situation genau weiß. Führen die aber die Vaterländische Front, Gustl [sein Sohn], dessen Ehe[10] oder Dachau an, so könnte Göring mir den Vorwurf machen, daß ich ihn in Unkenntnis gelassen und dadurch in eine schiefe Position gebracht habe. […] Ich bin sehr froh, wenn eine Klärung ‚so oder so’ eintritt.“[11]
Hans Zulliger, der an dieser Tagung teilgenommen hatte, schrieb an Otto Fenichel: „Ich war ein paar Tage in Wien, >Kinderkundliche Woche< unter Leitung von Prof. Göring. Aichhorn war der einzige, der kritisch war. Alle anderen Teilnehmer am Kongreß waren begeistert und überzeugt, daß die Deutschen bald gesiegt haben werden“ (Fenichel 1998, S. 1431).
August Aichhorns Ausbildungsseminar von 1938 bis 1944:
Zunächst völlig unabhängig von der Arbeitsgruppe des Deutschen Instituts leitete August Aichhorn ab dem Winter 1938/39 ein Seminar, in dem er einer kleinen Gruppe von Hörern in psychoanalytischer Theorie und Praxis unterrichtete. Abgehalten hat Aichhorn das Seminar, trotz des Verbots im Sinne der aufgelösten WPV weiter zu arbeiten,[12] in seiner Wohnung. Friedl Aufreiter, eine der Teilnehmerinnen, schilderte die Umstände dieser illegalen Zusammenkünfte: „Es waren, ab dem Winter 1938/39, wöchentliche, konspirative Treffen. Wir hatten Angst, von der Gestapo entdeckt zu werden, daher hatten wir mit den anderen Teilnehmern – außerhalb des Seminars in Aichhorns Wohnung – keinen Kontakt. Informell war es eine streng analytische Ausbildung, später, als das Seminar vom Deutschen Institut anerkannt worden war, war es, offiziell therapeutisch, im Sinne des Instituts.“[13]
Die Teilnehmer an diesem ersten, illegalen Seminar waren: Gottfriede Aufreiter-Zwickl, Johann Aufreiter, Ella Lingens, Kurt Lingens und Karl Motesiczky. Von diesen Seminaren sind, falls solche überhaupt je existiert haben, keine Protokolle erhalten geblieben. Ihre Inhalte sind mit „Einführung in die Erziehungsberatung“ und „Einführung in die Neurosenlehre“ angegeben.[14]
Karl Motesiczky und Ella und Kurt Lingens wurden, sie hatten Juden bei der Flucht unterstützt, am 13. Oktober 1942 verhaftet.[15] Karl Motesiczky starb am 25. 6. 1943 im Block 19, einem Häftlingskrankenbau des Konzentrationslagers Auschwitz, an Fleckfieber (Rothländer 2003, 2010):), Ella Lingens konnte in den Konzentrationslagern Auschwitz und Dachau überleben (Lingens 1948, 2003) und Kurt Lingens wurde in eine Strafkompanie an die russische Front versetzt. Die Befreiung Wiens durch die Rote Armee erlebte er in einem Wiener Lazarett.
Ab dem Herbst 1941 wurde das Seminar vom Deutschen Institut anerkannt (Lingens 1983). Erst an diesem Seminar nahmen dann auch – bis auf Motesiczky[16] – die Teilnehmer der ersten Seminare und einige der Mitglieder der Wiener Arbeitsgruppe des Deutschen Instituts teil. Nach und nach kamen einige Hörer hinzu, die zu den ersten Mitgliedern der wiedereröffneten WPV nach dem Krieg zählen sollten (Aichhorn, Th. & Mühlleitner 2003; Ash 2012, Brainin & Teicher 2004; Fallend 2003).[17] Auch nach der offiziellen Anerkennung durch das Berliner Institut, blieb es Aichhorns Ziel, in- und ausländischen – auch einige Griechen haben an diesem Seminar teilgenommen – jungen Ärzten und Psychologen die Möglichkeit zu bieten, Psychoanalyse unverfälscht in Praxis und Theorie kennen lernen zu können.
Bis zum Frühjahr 1942 hielt Aichhorn 14-tägige Kurse, ab 1942 monatliche Diskussionsabende ab, alles in seiner Wohnung und damit jeder Kontrolle entzogen. Von den Diskussionen aus den Jahren 1942-44 sind Protokolle erhalten geblieben, die allerdings sehr kurz gehalten sind und keinen klaren Eindruck der Vorträge und Debatten geben (vgl. Ash 2012).[18] Soweit es in den Protokollen festgehalten wurde, ging es um die unterschiedlichsten Themen. Es handelt es sich um Berichte aus der pädagogischen oder der therapeutischen Praxis, um Diskussion über die Konvergenz der tiefenpsychologischen Lehrmeinungen oder um Vorträge Aichhorns über seine psychoanalytisch-pädagogischen Theorien. Es findet sich allerdings auch eine entschieden kritische Stellungnahme zu einem von Hans von Hattingberg in Berlin erstellten Entwurf, aus den verschiedenen therapeutischen Richtungen eine einheitliche Theorie zu kondensieren (Lockot 1985, 192f; Schrübbers 2003, S. 133f).[19] Der Wiener Arbeitskreis kritisierte die Verschwommenheit der meisten Begriffe mit Argumenten, die nicht ihrer Sprache, aber ihrem Gehalt und ihrer Zielrichtung nach freudianisch sind. „Wenn Aichhorn an Hattingberg kühl schrieb,“ stellte Leopold-Löwenthal fest, „daß solche und ähnliche Differenzen aus der Verschiedenheit der Ansätze begreiflich seien, hat er sehr deutlich gemacht, daß er von einer bestimmten Grundhaltung, nämlich der psychoanalytischen, aus argumentiert“ (Leopold-Löwenthal 1997, S. 257f).
Für Aichhorn war schließlich die politische Situation im Frühjahr und Sommer 1944 derart bedrohlich geworden, dass er sich dazu entschloss, aus seinem Sommerurlaub in Frankenfels, Niederösterreich, nicht mehr nach Wien zurückzukehren und seine Arbeit für die Wiener Arbeitsgruppe zu beenden. Dazu kam, dass Viktor v. Gebsattel anfangs 1944 nach Wien gekommen war und als Stellvertreter Kogerers die Leitung der Wiener Gruppe übernommen hatte. In der 21. Seminarsitzung vom 5. März 1944 berichtete Aichhorn den Teilnehmern über einen geplanten Ausbau der Wiener Gruppe im Zusammenhang mit der Überleitung des Berliner Psychotherapeutischen Instituts in eine Reichsanstalt (Lockot 1985, S. 207ff; Cocks 1985, S. 168ff).[20] In diesem Zusammenhang, so berichtete er, fand auf der Klinik Pötzl unter dem Vorsitz von Dr. v. Gebsattel eine informatorische Sitzung statt, auf der beschlossen wurde, dass vorerst ein Ambulatorium errichtet werden sollte.[21] Die bis dahin in Aichhorns Wohnung abgehaltenen Seminare sollten offenbar nach dem Berliner Vorbild umgestaltet werden, wodurch die Arbeit, die bis dahin vollkommen privat stattfand, öffentlich werden würde.
Viktor Emil von Gebsattel,[22] befreundet mit Lou Andreas-Salomé und Rilke, Mitglied der freudianischen Münchner Gruppe um Leonhard Seif, war an katholische Vorstellungen gebunden geblieben und stand der Theorie der Psychoanalyse, vor allem der Triebtheorie, durchaus kritisch gegenüber. Er vertrat einen personalistisch-anthropologischen Ansatz, vielleicht am ehesten vergleichbar der Daseinsanalyse Ludwig Binswangers (Brundke 2008, S. 39; Grunert 2008, S. 193ff). Im Juli 1946 schrieb Aichhorn an Felix Schottländer: „War er [Gebsattel] hellsichtig genug, so muß er bei unseren Zusammenkünften gemerkt haben, daß er es mit Freudschen Analytikern zu tun hatte.“[23] Der Kontakt von Aichhorns Schülern zu Gebsattel blieb „vorsichtig reserviert“, wie Solms berichtete (Solms 1982; S. 445). Nur Igor A. Caruso schloss sich ihm an.
Quellen:
BAK = Deutsches Bundesarchiv Koblenz.
NAA = Nachlass August Aichhorn, Archiv Th. Aichhorn.
NRD = Nachlass Rosa Dworschak, Archiv Th. Aichhorn.
ÖStA = Österreichisches Staatsarchiv.
Literatur:
Aichhorn, Th. & Mühlleitner, E. (2003): Auf den >Trümmern< der Psychoanalyse. Wiener Psychoanalytikerinnen während und nach dem Krieg. In: Luzifer-Amor, 16. Jg. Heft 32, S. 66-98.
Ash, M. (Hg) (2012): Materialien zur Geschichte der Psychoanalyse in Wien 1938 – 1945. Brandes & Apsel 2012.
Brainin, E. & Teicher, S. (2004): Die Wiener psychoanalytische Vereinigung und der Nationalsozialismus. In: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte XXXII, S. 274-296.
Brundke, A. (2008): Psychotherapie ohne Freud? Eine Spurensuche in München. In: Bauriedl, T. & Brundke, A. (Hg.): Psychoanalyse in München – Eine Spurensuche. Gießen: Psychosozial-Verlag, S. 27-109.
Cocks, G. (1985): Psychotherapy in the Third Reich. The Göring Institute. New York Oxford: Oxford University Press.
Cocks, G. (1997): Psychotherapy in the Third Reich. The Göring Institute (Second Edition, Revised and expanded). New Brunswick and London: Transaction Publishers.
Fallend, K. (2003): Abgerissene Fäden. Psychoanalyse in Österreich nach 1938. Biographische Einsichten. In: Werkblatt 51, Heft 2/20. Jg., S. 78-119.
Fenichel, O. (1998): 119 Rundbriefe. Reichmayr, J. & Mühlleitner, E. (Hg.) Frankfurt am Main und Basel: Stroemfeld Verlag.
Grunert, J (2008): Zur Geschichte der Psychoanalyse in München. In: Bauriedl, T. & Brundke, A. (Hg.): Psychoanalyse in München – Eine Spurensuche. Gießen: Psychosozial-Verlag, S. 193-238.
Gstach, J. (2006): Die österreichische Individualpsychologie unterm Hakenkreuz und im Wiederaufbau. In: Ztschr. für Individualpsychologie, 31. Jg. Heft 1, S. 32-51.
Huber, W. (1977): Psychoanalyse in Österreich seit 1933. Wien-Salzburg: Geyer-Edition.
Kenner, C. (2007): Der zerrissene Himmel. Emigration und Exil der Wiener Individualpsychologie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Kogerer, H. (1934): Psychotherapie. Ein Lehrbuch für Ärzte und Studierende. Wien: Verlag von Wilhelm Maudrich. 2. Auflage 1951 im selben Verlag.
Leupold-Löwenthal, H. (1997): „Unser Volk ist nicht ganz so brutal…“ – Die Psychoanalyse in Wien 1933 bis 1938. In: Leupold-Löwenthal, H. (1997): Ein unmöglicher Beruf. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag, S. 245-252.
Lingens, E. (1948): Prisoner of Fear. London: Victor Gollancz.
Lingens, E. (1983): Psychoanalyse unter dem Nationalsozialistischen Regime. In: Sigmund Freud House Bulletin Vol 7/No. 2, S. 12-15; Korotin, I. (Hg.): „Die Zivilisation ist nur eine ganz dünne Decke…” Ella Lingens (1908-2002). Wien: Praesens Verlag 2011: 143-147.
Lingens, E. (2003): Gefangene der Angst. Ein Leben im Zeichen des Widerstandes. Wien, Frankfurt am Main: Deuticke.
Lockot, R. (1985): Erinnern und Durcharbeiten. Zur Geschichte der Psychoanalyse im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag.
Rothländer, Ch. (2003) „Wer wird Widerstand leisten, wenn alle gehn ...". Über Leben und Werk Karl Motesiczkys. In: Luzifer-Amor, 16. Jg. Heft 32, S. 39-65.
Rothländer, Ch. (2010): Karl Motesiczky 1904-1943. Eine biographische Rekonstruktion. Wien: Verlag Turia + Kant.
Schrübbers, Ch. (2003): Affekt, Libido und die Zeit der Deutschen Seelenheilkunde. In: Luzifer-Amor, 16. Jg. Heft 31, S. 124-141.
Solms, W. (1982): Psychoanalyse in Österreich. In: D. Eicke (Hg.): Tiefenpsychologie, Bd. 2. Weinheim und Basel: Beltz, S. 443-454.
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[1] Heinrich Ritter von Kogerer (1887–1958) promovierte 1910 zum Dr. med; ab 1918 an der Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik in Wien. 1927 Habilitation für Psychiatrie und Neurologie. Er war ab 1933 Mitglied des NS-Ärztebundes und trat 1937 der NSDAP bei. 1938 wurde er von Göring zum Leiter der Arbeitsgruppe Wien des Deutschen Instituts ernannt. 1939 zum Militär eingezogen. 1945 kehrte er nach Wien zurück und eröffnete eine Praxis als Facharzt für Psychiatrie und Neurologie.
[2] M. H. Göring an H. v. Kogerer, Brief vom 15. 3. 1938; Kopie: BAK.
[3] Noch in der Einleitung zur zweiten Auflage seines Buches Psychotherapie, die 1951 erschienen ist, schrieb er: „Die vom M. H. Göring’schen Institut gelehrte und geübte ‚deutsche Tiefentherapie’ war nichts anderes als eine transponierte Psychoanalyse. Es gelten daher die von mir gegen die Psychoanalyse erhobenen Einwände auch für diesen Fall“ (Kogerer 1934/51, S. 1).
[4] Göring an Kogerer: „Haben Sie besten Dank für Ihren Brief vom 12. 7.! Die 4 von mir genannten Nichtärzte [Aichhorn, Birnbaum, Spiel und - wahrscheinlich – Thumb] werden Sie am besten als Erziehungsberater beschäftigen; ferner sind sie, wenigstens zum Teil als Vortragende bei Ihren Arbeitsgemeinschaften gut. Ich glaube, wir lassen diese Frage ruhen, bis Sie mit ihnen zusammen in Berlin waren; vor dem Herbst wird doch nicht viel zu machen sein“ (M. H. Göring an H. v. Kogerer, Brief vom 15. 7. 1938; Kopie: BAK).
[5] A. Aichhorn an M. H. Göring, Brief vom 16. 5. 1938, Kopie: NAA.
[6] „Auf die Tagung im Herbst freue ich mich sehr, ich werde gern dabei sein und hoffe, mit Ihrer Zustimmung Hörer im Hintergrund bleiben zu dürfen. Ich habe lange hin und her überlegt und halte es für zweckmäßig, bei diesen ersten Veranstaltungen in Wien nicht in den Vordergrund zu treten. Es gibt außer Dozenten Kogerer noch so manchen ärztlichen Psychotherapeuten, der den nicht-ärztlichen jede Lebensberechtigung abspricht. Dann bin ich doch aus der Vergangenheit ‚schwer belastet’. Wenn ich unauffällig bleibe, hat niemand ein Interesse, die stille Vorbereitungsarbeit, die ich jetzt leiste, zu stören“ (A. Aichhorn an M. H. Göring, Brief vom 6. 7. 1940, Kopie: NAA).
[7] „Inzwischen ist ein lebhafter Streit um Ihre Person entstanden, ich muß erst einmal abwarten, was daraus wird. Aber ich halte mich schon jetzt für verpflichtet, Ihnen davon Mitteilung zu machen, nachdem ich mich auf Vorschlag von Herrn Prof. Göring an Sie gewendet hatte und nachdem Herr Prof. Göring geglaubt hatte, mich in dieser Richtung über Sie beruhigen zu können“ (P. Schröder an A. Aichhorn, Brief vom 2. 8. 1940, Original: NAA).
[8] „Ich warte den Ausgang des ‚lebhaften Streites um meine Person’ nicht ab, sondern ziehe meine Zusage […] zurück. Ihnen, Herr Professor, ausführlich zu begründen, warum ich es nun ablehne, den Vortrag zu halten, würde den Rahmen eines Briefes überschreiten. Ich erwähne nur ganz kurz: Über 30 Jahre habe ich im Kampf der Meinungen meine eigene Ansicht immer gern verfochten. Heute lohnt es sich mir nicht mehr, wenn Gegensätzen persönliche Motive zugrunde gelegt werden; denn dann bekommen Auseinandersetzungen eine feindliche Tönung, die im Interesse der Sache vermieden werden muß. Ich will auch alles vermeiden, was Herrn Professor Göring oder Ihnen, Herr Professor, auch nur den Schatten einer unangenehmen Situation verursachen könnte. Mit selber Post verständige ich auch Herrn Professor Göring. Ich bitte Sie, diese Absage als endgültig zu betrachten.“ (A. Aichhorn an P. Schröder, Brief vom 6. 8. 1940, Kopie: NAA).
[9] M. H. Göring an A. Aichhorn, Brief vom 15. 8. 1940, Original: NAA.
[10] Die Frau von Aichhorn jun. war den damaligen Regelungen nach Halbjüdin.
[11] A. Aichhorn an R. Dworschak, Brief vom 12. 8. 1940, Original: NRD.
[12] Bescheid des Wiener Magistrat vom 1. 9. 1938: „Die weitere Aufforderung oder Anwerbung zu dem aufgelösten Verein oder die Fortsetzung der Wirksamkeit dieses Vereines wird, sofern die Handlung nicht unter die strengeren Bestimmungen der §§ 286 und 288 St. G. fällt, gemäß § 297 St. G. als Vergehen, die Teilnahme an einem solchen Verein gemäß § 298 St. G. als Übertretung bestraft. Alle sonstigen Übertretungen oder Umgehungen dieses Bescheides werden nach § 36 des Gesetzes vom 15. November 1867, R. G. Bl. Nr. 134 in der Fassung des Artikels V der Strafgesetznovelle vom Jahre 1932, von der zuständigen Polizeibehörde geahndet“ (ÖStA).
[13] Interview vom Mai 1997 in London/Kanada (Thomas Aichhorn und Friedl Früh).
[14] Bericht Aichhorns an das „Reichsinstitut für Psychologische Forschung und Psychotherapie“ z. H. des Direktors Herrn Prof. Dr. M. H. Göring vom 3. Juni 1944 (Kopie: NAA).
[15] Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Wien, Tagesbericht vom 13. – 15. 10. 1942 (Akt: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes).
[16] In Bezug auf Motesiczky teilte Göring Aichhorn mit: „Gestern war ich auf dem Reichsinnenministerium und habe mich nach dem Stand der Mischlingsfrage erkundigt. Für Mischlinge ersten Grades besteht kaum die Möglichkeit, die Approbation zu erlangen. Ministerialrat Linden sagte mir, dass der Reichsgesundheitsführer [Leonardo Conti], der ja zugleich Staatssekretär im Reichsinnenministerium ist, bisher jedes Gesuch abgelehnt habe. Es tut mir sehr leid, Ihnen diese Auskunft geben zu müssen (M. H. Göring an A. Aichhorn, Brief vom 28. 6. 1940, Original: NAA).
[17] Von den 14 Ausbildungskandidaten, die Aichhorn während jener Jahre betreute (Stand nach dem Bericht Aichhorns an Göring vom 3. Juni 1944 im NAA) wurden 1946 acht Mitglieder der WPV: Friedl Aufreiter, Hedwig Bolterauer, Alois Nentwich, Barbara Scharmann, Theodor Scharmann, Theon Spanudis, Wilhelm Solms und Emmy Miklas. Die Griechen Paris Constandinidis und Polyniki Ikonomu haben Wien wieder verlassen.
I. A. Caruso hat einen von der WPV unabhängigen psychoanalytischen Verein gegründet, den „Wiener Arbeitskreis für Tiefenpsychologie“, der sich 1947 formell konstituierte (vgl. Huber 1977; S. 98ff).
[18] Im Nachlass A. Aichhorns sind – vom 9. 4. 1942 bis zum 15. 3. 1944 – 21 Protokolle erhalten geblieben.
[19] Mit Dank an Frau Katharina Keifenheim, Tübingen, die mir Hattingbergs bisher unveröffentlichte „Thesen“ zur Verfügung gestellt hat.
[20] Bereits am 15. Jänner 1944 hatte Göring Aichhorn mitgeteilt: „Der Herr Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches hat mit Wirkung vom 1. 1. 44 die Gründung des ‚Reichsinstitut für Psychologische Forschung und Psychotherapie im Reichsforschungsrat’ angeordnet. Auf Vorschlag des Senats des neuen Instituts ernenne ich Sie hiermit […] zum außerordentlichen Mitglied des Reichsinstituts“ (M. H. Göring an A. Aichhorn, Brief vom 15. 1. 1944; Original: NAA).
[21] Laut dem 21. Protokoll vom 25. 3. 1944; NAA.
[22] Viktor Emil von Gebsattel (1883–1976) studierte zunächst Philosophie, dann Medizin. 1908 Bekanntschaft mit Rilke, 1911 Mit-Begründer der IPV-Ortsgruppe München. 1926 Gründung einer Privatklinik in Mecklenburg; 1939 Umzug nach Berlin, wo er am Deutschen Institut mitarbeitete. Anfang 1944 kam er nach Wien wo er die Leitung der Arbeitsgemeinschaft des „Göring-Instituts“ übernahm. Nach Kriegsende Privatpraxis in Überlingen und Badenweiler; ab 1949 Honorarprofessor in Würzburg.
[23] A. Aichhorn an F. Schottländer, Brief vom 5.7.1946; Kopie: NAA.