Windgätter, Christof (2009): Zu den Akten. Verlags- und Wissenschaftsstrategien der frühen Wiener Psychoanalyse.

Windgätter, Christof (2009): Zu den Akten. Zusammenfassung

Verlags- und Wissenschaftsstrategien der frühen Wiener Psychoanalyse
Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 32 (2009), S. 246–274
Weinheim: Wiley-Vch.
http://www.bwg.wiley-vch.de

Zusammenfassung:

Die folgende Fallstudie behandelt den ‚Internationalen Psychoanalytischen Verlag’; gegründet 1919 in Wien von einer Gruppe um Sigmund Freud und zerschlagen 1938 von der Gestapo. Während dieser Zeit hat der Verlag sämtliche Titel der zeitgenössischen psychoanalytischen Bewegung publiziert: einschließlich des ersten psychoanalytischen Wörterbuches, des Almanach als Jahrbuch, der vier maßgeblichen Zeitschriften (Imago, Zeitschrift für Psychoanalyse, Zeitschrift für Psychoanalytische Pädagogik und Die Psychoanalytische Bewegung) sowie der ersten Gesamtausgabe der Freud’schen Schriften. Solchermaßen ist ein einziger Verlag in ausschließlicher Weise für die Veröffentlichung einer ganzen Theorieform zuständig gewesen. Meine These lautet daher, dass der Verlag eine Reihe von Publikationsstrategien hervorgebracht hat (u.a. die Zentralisierung der Bewegung, die Durchsetzung des Firmennamens, das Corporate Design seiner Produkte), die noch vor allen Argumenten und Inhalten konstitutiv für die Entwicklung der Psychoanalyse bzw. ihre Einbindung in wissenschaftliche Zusammenhänge gewesen sind. Freilich können diese Strategien nicht durch die Interpretation der psychoanalytischen Bücher erkannt werden, sondern sie sind vor allem in den überlieferten Dokumenten und an den materialen Produkten des Verlages (Büchern, Zeitschriften, Waschzettel, Werbeblätter etc.) zu finden. Als erster Schritt zu einer größeren Untersuchung versucht dieser Aufsatz einige der Verlagsdokumente zu erforschen. An ihnen nämlich zeigt sich, dass die Wiener Firma nicht nur mit finanziellen und personellen Problemen zu kämpfen hatte, sondern vor allem Konzepte des Branding, des Labeling und der Public Relations in die wissenschaftlicher Arbeit eingeführt hat. Mit der Folge, dass der Verlag sich von einer kommerziellen und distributiven Institution in ein epistemisches Medium verwandeln konnte.

In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 32 (2009), S. 246–274. Weinheim: Wiley-Vch.

Eingegangen bei der Redaktion am 2.8.2010.